|
Sheckley, Robert: Der widerspenstige Planet (Buch)
Robert Sheckley
Der widerspenstige Planet
Deutsch von Michael Görden, Tony Westermayr und Wolfgang Eisermann
Mit einem Vorwort von Harry Harrison, übersetzt von Ulrich Thiele
Heyne, 2009, Taschenbuch, 700 Seiten, 10,95 EUR, ISBN 978-3-453-52562-7
Von Gunther Barnewald
Der 2005 verstorbene Robert Sheckley war einer der herausragenden Kurzgeschichtenautoren innerhalb der Science Fiction. Außer Philip K. Dick hat niemand innerhalb des Genres dermaßen viele, dauerhaft gutklassige und intelligente SF-Storys geschrieben wie er.
Nicht umsonst wurde ein Kurzgeschichtenpreis nach ihm benannt und einige seiner Ideen wurden bereits verfilmt. Hier besonders gelungen der aus dem Jahr 1965 stammende Spielfilm „Das 10. Opfer“, welcher auf der im vorliegenden Band erneut veröffentlichten Story „Das siebte Opfer“ beruht und eine Zukunft schildert, in der Kriege zwar abgeschafft sind, die Aggression der Menschen jedoch dadurch im Zaum gehalten wird, indem man sich als Jäger melden kann, um andere Menschen zu töten, dann jedoch auch immer wieder als Gejagter dienen muss. Wie andere seiner Kurzgeschichten hat Sheckley auch diese Idee später zu längeren Texten ausgeweitet, in diesem Fall sogar zu drei Romanen (alle in Deutschland erschienen als Bastei Lübbe Taschenbücher in folgender Reihenfolge: „Das zehnte Opfer“ (1985) mit der Verlagsnummer 22087, „Das Jäger-Spiel“ (1987) unter der Verlagsnummer 13099 und „Jäger und Opfer“ (1988) unter der Verlagsnummer 13163), die aber nicht mehr allzu überzeugend ausfielen.
In der BRD legendär war die TV-Verfilmung „Das Millionenspiel“ nach einem Drehbuch von Wolfgang Menge unter der Regie von Tom Toelle, in der Dieter Thomas Heck einen schmierigen Fernsehmoderator spielte, der eine ganz besondere Show moderierte, in dem ein Mensch vor laufenden Kameras zu Tode gehetzt werden sollte beziehungsweise sich eine Million D-Mark verdienen konnte, wenn er den Anschlägen der Killer drei Tage würde entkommen können. Dieses 1970 verfilmte Werk Sheckleys konnte leider lange Zeit nicht mehr ausgestrahlt werden (was inzwischen aber wieder möglich war und auch gemacht wurde), da man es bei der Produktionsfirma nicht für nötig befunden hatte, mit dem SF-Autor einen Vertrag zu machen und ihn überhaupt zu entlohnen für seine Vorlage. In den Jahren darauf wurde die auch in „Der widerspenstige Planet“ enthaltene Erzählung „Das Millionenspiel“ dann noch von anderen Regisseuren verfilmt (wenn auch nie wieder so prägnant wie von Regisseur Toelle, denn nach dieser Version meldeten sich sogar Zuschauer beim Sender, die sich allen Ernstes als Kandidat für die gefährliche Hetzjagd zur Verfügung stellen wollten). Stephen King alias Richard Bachman klaute die Idee für seinen Roman „Menschenjagd“, der wiederum mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle verfilmt wurde.
Neben den hier enthaltenen 15 Kurzgeschichten und Novellen wird ebenfalls ein Roman Sheckleys wieder veröffentlicht, der 1982 erstmals unter dem Titel „Lebensgeister GmbH“ (Bastei Lübbe Taschenbuch 22046) in Deutschland erschienen ist, und ebenfalls zu Sheckleys verblüffendsten Werken gehört, denn in ihm ist das Leben nach dem Tod längst erwiesen und dieses Wissen hat die Zukunft und die dortige Moral und die Lebenseinstellung der Menschen massiv verändert. Das Jenseits kann jedoch nur von einigen reichen oder geübten Menschen erreicht werden, weshalb eine mächtige Industrie entstanden ist, die sogar für Werbezwecke die Seelen Verstorbener aus der Vergangenheit in die Gegenwart transportieren und in Körper einpflanzen kann (was dem Protagonisten widerfährt), deren Bewohnerseele vorher ins Jenseits befördert wurde. Einzelne Ideen daraus wurden für den flauen SF-Film „Freejack“ verwurstet, wahrlich kein Ruhmesblatt des Genres.
Wahrscheinlich ist diese Verfilmung auch der Grund gewesen, diesen Roman hier inmitten von Kurzgeschichten und Novellen mit aufzunehmen, denn Robert Sheckley hat dermaßen viele geniale Geschichten geschrieben, dass man sie alle unmöglich in einem Band herausbringen könnte. Trotzdem hätte man sich hier das eine oder andere Kurzwerk des Autors noch gewünscht, vor allem „Street of Dream, Feet of Clay“ oder auch „The Gun without a Bang“ fehlen eindeutig.
Aber ansonsten ist „Der widerspenstige Planet“ eine gelungene Zusammenstellung, die zeigt, wie kreativ SF sein kann, wenn ein intelligenter Autor am Werk ist.
Egal ob sich Planeten als Lebewesen entpuppen und gegen die Menschen rebellieren wie in der Titelgeschichte, oder ob außerirdische Formwandler die Erde überfallen wollen und dabei an den Gegebenheiten der hier vorhandenen idyllischen Natur scheitern („Formfragen“) oder ein Mann der alltäglichen Überwachung durch den Staat zu entkommen versucht und bei allen Raumreisen in die „unendliche Weite“ trotzdem noch von Spitzeln begleitet wird („Ein Irrtum der Regierung“), immer gelingt es dem Autor den Leser durch Übertreibungen, überraschende Perspektivwechsel, satirische Spitzen oder ähnliches zu verblüffen und zu amüsieren.
Mit unscheinbarem aber äußerst elegantem Stil gelingt es Sheckley immer wieder, das Genre gegen den Strich zu bürsten. So findet ein Emigrant auf einem weit entfernten Planeten ein anscheinend funktionstüchtiges Utopia vor, merkt jedoch erst durch seinen längeren Aufenthalt dort, zu welch absurden Auswüchsen dieses scheinbar und nur an der Oberfläche harmonische Staatswesen führt und muss schließlich erkennen, dass die menschliche Natur jedem Utopia bitterlich im Wege steht („Utopia mit kleinen Fehlern“).
Bis auf drei Geschichten stammen alle hier veröffentlichten Erzählungen aus den 50er Jahren, Sheckleys wohl, was den Ausstoß neuer, verblüffend-witziger Geschichten angeht, kreativsten Zeit, denn die drei anderen Werke aus den 70er Jahren fallen schon etwas ab, sind aber, gemessen an Erzählungen anderer Autoren, immer noch außerordentlich goutabel und ansprechend. Während „Pas de Trois“ eine an Akira Kurosawas Film „Rashomon“ erinnernde Idee präsentiert und auch als Non-SF-Story durchaus gelungen ist, stellt „Das geteilte Ich“ sicherlich vom psychologischen Standpunkt aus kein Highlight dar, da die Reintegration dreier Persönlichkeitsfacetten eines einzelnen Menschen zwar ganz nett zu lesen, inhaltlich aber vom wissenschaftlichen Standpunkt ziemlicher Unfug ist (selbst wenn man die herrlich absurde Idee einer „Virusschizophrenie“ einmal geschluckt hat). Sheckley hat dieses Werk ebenfalls zu einem Roman ausgewalzt (hierzulande 1979 erschienen als „Die alchimistische Ehe“, Knaur Taschenbuch 5710), was aber der Idee noch mehr geschadet hat. Auch die etwas wirre Story „Endstation Zukunft“ glänzt zwar mit einer verblüffenden Idee, wird aber vom Autor zu lange und nicht völlig durchdacht breitgetreten.
Da alle Texte bereits vormals auf Deutsch erschienen sind, stellt der vorliegende Band für Kenner des Genres keine Neuheit dar, wer den Autor jedoch noch nicht oder nur ungenügend kennt, der darf sich hier verzaubern lassen von absoluten Meisterstücken phantasievoller Ideen-SF, Kabinettstückchen, wie sie nur ein begnadeter Kurzgeschichtenautor wie Robert Sheckley schreiben konnte. Schade, dass seine längeren Texte dieses Niveau nur sehr selten erreichten.
hinzugefügt: November 26th 2009 Tester: Gunther Barnewald Punkte: zugehöriger Link: Heyne Hits: 2757 Sprache:
[ Zurück zur Übersicht der Testberichte | Kommentar schreiben ] |
|