The Surrogates
(The Surrogates)
Text: Robert Venditti
Artwork: Brett Weldele
Übersetzung: Christian Langhagen
Lettering: Amigo Grafik
Cross Cult, 2009, Hardcover, 208 Seiten, 26,00 EUR, ISBN 978-3-941248-31-1
Von Christel Scheja
Die Zukunftsvisionen haben sich in den letzten dreißig Jahren mit der fortschreitenden Weiterentwicklung der Computertechnik sehr stark verändert. Bestanden die frühen Visionen eher aus Katastrophenszenarien oder dem handfestem Terror totalitärer Regime, spielt sich heute immer mehr in virtuellen Welten ab oder überträgt das Bewusstsein der Menschen in eine andere Ebene. So auch in der Graphic-Novel „The Surrogates“ von Robert Venditti und Brett Weldele, deren Verfilmung mit Bruce Willis im Winter 2009 in die deutschen Kinos kommt.
Im Jahr 2054 scheint ein Traum wahr geworden zu sein. Mit dem entsprechenden Bankkonto ist man nicht mehr länger darauf angewiesen sein Haus zu verlassen, sondern kann sein Bewusstsein in ein so genanntes ‚Surrogat’ transferieren, einen kybernetischen Körper, der so gestaltet ist, wie man ihn haben möchte, um seiner Arbeit nachzugehen oder mit anderen Menschen zu interagieren.
In dieser schönen neuen Welt muss niemand mehr unter Vorurteilen wegen seinem Aussehen, Geschlecht oder seiner Hautfarbe leiden, denn das kann durch das entsprechende Surrogat verschleiert werden. Die Luxusmodelle ermöglichen sogar gefühlsechten Sex.
Auch Gewalt und Verbrechen sind dadurch auf ein geringes Maß gesunken. So haben die Polizeibeamten Harvey Greer und Pete Ford nur wenig zu tun – bis zu dem Tag, an dem eine grausame ‚Mord’-Serie beginnt. Ein vermummter Techno-Terrorist zerstört ein Surrogat nach dem anderen und scheint dem virtuellen Leben den Kampf angesagt zu haben. Doch wer steckt dahinter? Etwa ‚Der Prophet’, ein obskurer Sektenführer, der schon vor Jahren gegen die neue Technologie gewettert hat, oder jemand, der bisher seine Karten noch nicht aufgedeckt hat?
Harvey Greer muss sich seinem Gegner bald persönlich stellen, denn sein Surrogat wird bei ihrer ersten Begegnung zerstört, und ein Ersatz ist noch nicht in Sicht. So ist der Polizeibeamte das erste Mal nach Jahren gezwungen, sein Haus zu verlassen und sich wieder selbst der Außenwelt zu stellen – und allen Gefahren, die ihn dort erwarten.
Düster und fatalistisch wie einst in „Blade Runner“ muss sich ein alternder und abgewrackter Held einer kalten, neuen Welt stellen und versuchen, den Feind zu finden, nur um von ihm am Ende wachgerüttelt zu werden. Doch wie so oft schlägt ihm das Schicksal ein böses Schnippchen und lässt am Ende offen, ob er mehr daraus macht.
Die beiden Künstler erzählen ihre Geschichte mit einer düsteren Intensität, die einen manchmal ziemlich schaudern lässt. Dazu passen die kalten und oftmals schmutzigen Farben, die die Kälte dieser schönen neuen Welt deutlich hervorheben. Ganz im Gegensatz dazu stehen die Hochglanz-Prospekte der Firma, die die Surrogate produziert, und eine schöne neue Welt der Perfektion und Eleganz suggerieren, in der jeder das sein kann, was er gerne sein möchte, ohne sich selbst körperlich verändern zu müssen.
Viele Menschen sind bereits so süchtig nach diesen Stellvertretern, dass der gewaltsame Einbruch in die heile Welt zu einem grausamen Schock wird, den nicht alle verkraften können. Auch die nachfolgenden Reaktionen sind sehr realistisch und nachvollziehbar umgesetzt, so dass man am Ende sehr nachdenklich zurückbleibt.
Gerade der Gegensatz zwischen der Werbung und der dahinter stehenden Geschichte ist sehr faszinierend und berührend. Das beweist auch das umfangreiche Zusatzmaterial, das einige Punkte nochmals vertieft.
Alles in allem ist „The Surrogates“ die gelungene und engagiert umgesetzte Vision einer zukünftigen Welt, auf die wir durchaus zusteuern könnten, wenn die Entwicklungen so weiter laufen wie bisher.