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Wassermann, Sabine: Das Gläserne Tor (Buch)
Sabine Wassermann
Das Gläserne Tor
Umschlaggestaltung von Nele Schütz Design, München
Karte von Andreas Hancock
Heyne, 2008, Paperback, 692 Seiten, 14,00 EUR, ISBN 978-3-453-52339-5
Von Thomas Folgmann
Grazia Zimmermann besucht die Ausgrabungsstätte im Berlin des Jahres 1895, an der ihr Verlobter arbeitet. Sie wird von einem geheimnisvollen Fremden mit einem Kuss überrascht. Als der Mann in der Havel versinkt und sie wenig später eine unglaubliche Fähigkeit an sich entdeckt, folgt sie ihm ins Wasser. Allerdings landet sie in der Wüste einer anderen Welt.
Dort wird sie zwar von einem Wüstenstamm aufgenommen, doch ihr Interesse erwacht besonders einem Krieger gegenüber, den die Wüstenmänner gefangennehmen konnten. Dieser Krieger, Anschar, bringt ihr die Sprache dieser Welt bei, und nach und nach fühlen sich beide zueinander hingezogen, ohne es sich oder gar dem anderen gegenüber zugestehen zu können.
Anschar wird in der Wüste ausgesetzt, um dort zu sterben. Grazia flieht aus dem Zeltlager, um ihm zu helfen, und gemeinsam schaffen sie es nach Argadye, zu Anschars Herrn und König. Durch eine Wette dazu gezwungen, muss dieser aber Anschar, einen seiner besten Krieger, an seinen Bruder übergeben, und so werden Grazia und Anschar erneut getrennt.
Grazia darf zwar im Palast wohnen, kann sich aber weder an die Sitten und Gebräuche dieser Welt gewöhnen – will es auch nicht –, noch an die Abwesenheit des Mannes, der sie anzieht, bei dem sie aber nicht sicher sein kann, ob sie ihn liebt. Ob sie ihn gar lieben darf.
Während der Bruder des Königs mit Anschar eigene Pläne verfolgt und den Krieger dazu brechen möchte, wird Grazias Gabe entdeckt: Sie kann Wasser aus dem Nichts produzieren. Aus Angst davor, ausgenutzt zu werden, hat sie diese Fähigkeit bisher für sich behalten. In einer Welt, die vor dem Austrocknen steht, wäre eine solche Macht viel wert. Allerdings lernt Grazia nicht, diese Gabe zu beherrschen und bleibt so eher nutzlos für den König, der sie gerne als sein Heilmittel gegen die Dürre vorgestellt hätte.
Im Großen und Ganzen wechselt die Erzählung dann zwischen Folterszenen dem Krieger gegenüber und dem Leben des jungen Fräuleins Zimmermann am Hofe des Königs. Für die Verlobte eines Archäologen, die sich vermeintlich für diverse Ausgrabungen, Altertümer und antike Sagen interessiert, bleibt sie seltsam desinteressiert an dem, was um sie herum vorgeht. Die Suche nach Anschar, nach Möglichkeiten, ihn zu treffen und natürlich nach einem Weg zur Rückkehr in ihre eigene Welt beherrschen sie und ihre Gedanken.
Es gibt keine Versuche, die anderen verstehen zu wollen, die Stadt oder auch nur den Palast zu erkunden, Abläufe kennenzulernen… all das, was man sich vorstellen könnte, in einer fremden Welt zu tun. Vor allem in einem Umfeld das einem wohlgesonnen ist! Einzig mit Zeichnungen scheint sie sich der ihr umgebenden Kultur annähern zu wollen, ansonsten bleibt sie dem Deutschland ihrer Zeit und Welt verhaftet. Äußeres Zeichen dafür ist das Korsett, das sie tagaus tagein trägt und um nichts in der Welt, trotz brütender Hitze, hergibt.
Einer jungen, angeblich neugierigen und aufgeschlossenen Frau, sollte man mehr zutrauen. Leider entwickelt sich dadurch auch kein interessanter Charakter, und die Umgebung, die Landschaft, die Stadt, die Menschen bleiben merkwürdig verschwommen. Das Desinteresse der Protagonistin erreicht somit auch den Leser, der kaum etwas über die an sich phantastische Welt erfährt, in der die Handlung ihren Lauf nimmt.
Die ganze Geschichte bekommt etwas von einer der Seifenopern, in denen mitgefiebert werden darf, wann die beiden Hauptdarsteller sich nun endlich bekommen. Alles andere bleibt mehr oder weniger schmückendes Beiwerk.
Auch bei Anschar ist, bis auf die wachsende Liebe zu Grazia, keine Entwicklung zu vermerken. Er vermittelt eher den Eindruck, seinem Sklavendasein grundsätzlich nur gute Seiten abgewinnen zu können. Natürlich trifft das nicht auf den Bruder des Königs zu, da dieser bloß Böses im Sinn hat und somit auch kein guter Herr ist. Dass dieser Bruder ebenfalls über eine die Elemente beherrschende Macht verfügt, ist ein Bonbon für die Fantasy-Freunde. Allerdings gibt es auch dazu keine weiteren Informationen im Roman. Wie diese Macht es schafft, einen Wall aufrechtzuerhalten, obwohl sie mehrere Tagesreisen entfernt unterwegs ist, während sie sonst nur mehr oder weniger leichte Schläge verteilen kann, bleibt somit auch ein Rätsel.
Eines das vielleicht im zweiten Band der Geschichte gelöst wird? Dieser hier vorliegende Roman ist allerdings grundsätzlich auch als abgeschlossene Geschichte lesbar und hat kein so offenes Ende, dass man ohne die Fortsetzung im Leeren hinge.
Für Fantasy-Liebhaber dürfte die Geschichte insgesamt eher wenig befriedigend sein, dazu wird zu wenig Kultur, Lokalkolorit, Leben dieser anderen Welt dargestellt. Auch hält sich die Spannung ab dem Moment in Grenzen, in dem klar wird, wer die Protagonisten der Geschichte sind. Selbst ein Zweikampf auf Leben und Tod ist für den Leser kein Spannungsmoment, da zu deutlich ist, wer überleben wird. Wer eine nette - mit über sechshundert Seiten vergleichsweise ausufernde - Romanze mit ihren Höhen und Tiefen lesen möchte, die in einem eher ungewöhnlichen Rahmen eingebettet ist, der ist mit „Das Gläserne Tor“ gut bedient.
hinzugefügt: December 7th 2009 Tester: Thomas Folgmann Punkte: zugehöriger Link: Heyne Hits: 2502 Sprache:
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