Marvel Zombies Collection 1
Text: Robert Kirkman u.a.
Zeichnungen: Sean Phillips u.a.
Farben: June Chung
Übersetzung: Reinhard Schweizer
Lettering: RAM & Walproject
Panini, 2010, Paperback, 404 Seiten, 29,95 EUR, ISBN 978-3-86607-893-2
Von Frank Drehmel
Spätestens seit George A. Romeros Film „Night of the Living Dead“ (1968) torkeln Zombies unter unser aller Augen durch diverse mediale Landschaften. Im Comic-Genre allerdings sollte der große Durchbruch erst im Jahre 2003 erfolgen, als der US-amerikanische Image-Verlag das erste Heft der grandiosen, überaus erfolgreichen Schwarzweiß-Serie „The Walking Dead“, verfasst von einem Autor namens Robert Kirkman, veröffentlichte.
Der vorliegende, 400 Seiten starke Sammelband enthält die Comics „Marvel Zombies“ 1-5, „Marvel Zombies vs. Army of Darkness“ 1-5, „Marvel Zombies Dead Days“, „Marvel Zombies (Vol. 2)“ 1-5, die - abgesehen vom „Army of Darkness“-Crossover, für welches John Layman als Verfasser verantwortlich zeichnet - aus der Feder eben jenes Robert Kirkman stammen und durch die der Verlag den „Walking Dead“-Hype bilanztechnisch für sich nutzbar zu machen gedachte.
Die Geschichten, die in Marvels alternativen „Ultimate-Universum“ angesiedelt sind, gestalten sich relativ einfach, denn – und da beißt die Maus keinen Faden ab – es geht nicht nur den Autoren um die kindliche Freude am pointierten, humorvollen Zerstören, Verstümmeln und Fressen.
Marvel Zombies (Dead Days, Vol. 1, Vol. 2)
Ein außerirdischer Virus, der Menschen wie Mutanten gleichermaßen infiziert und der durch Biss oder Blutkontakt übertragen wird, breitet sich rasend schnell unter den Super-Wesen der Erde aus und verwandelt sie in fast unsterbliche Untote, ohne sie allerdings ihres Verstandes und ihrer Kräfte zu berauben. Getrieben von einem unbändigen Hunger nach frischem Fleisch überrennt das größer werden Heer der Untoten sämtliche Verteidiger der Menschlichkeit, sodass am Ende lediglich eine kleine Anzahl Überlebender – darunter auch der verstümmelte Black Panther, Forge sowie einige Acolytes – auf Magnetos Asteroiden M, welcher die Erde in einem sicheren Orbit umkreist, der Wesen harren, die da kommen: Galactus und sein Herold, der Silver Surfer.
Als die Überlebenden nach fünf Jahren des Exils auf die Erde zurückkehren, finden sie einen verlassenen Planeten vor und errichten ein Reich, Neu Wakanda. Weitere 40 Jahre später hadern die mittlerweile alt gewordenen Helden mit ihrem Schicksal: der Genpool der Überlebenden ist zu klein, als dass die Menschheit dauerhaft gerettet werden kann; zudem kämpfen die Anhänger T'Challas und die Anhänger Fabian Cortez' um die Führung des Reiches.
Dann geschieht etwas, womit keiner von ihnen mehr gerechnet hat: aus den Tiefen des Universums kehren die fleischfressenden Ex-Helden der Vergangenheit zurück.
Marvel Zombies vs. Army of Darkness
Ashley J. „Ash“ Williams (der Hauptprotagonist aus „Army of Darkness“) fällt durch einen Riss zwischen den Dimensionen in das New York eines alternativen Universums. Kurz nach seiner Ankunft erhält er durch das „Necronomicon“ die Warnung, dass sich die Toten erheben werden und diese Welt dem Untergang geweiht sei.
Verzweifelt versucht der Neuankömmling, der zunächst kaum zwischen Superheld und Superschurke zu unterscheiden vermag, die Avenger zu warnen, doch in ihrer Arroganz schenken sie dem Fremden keinen Glauben. Als sich daraufhin eine Zombie-Seuche auszubreiten beginnt und ein Held nach dem anderen fällt, geht es für Ash nur noch ums nackte Überleben bis es schließlich in Latveria, dem Reiche Doctor Dooms zum finalen Showdown kommt.
Augenfällig ist zunächst, dass die Reihenfolge der Storys dieses Sammelbandes zwar der Veröffentlichungshistorie entspricht, in der Chronologie der Handlung jedoch „Marvel Zombies vs. Army of Darkness“ an erster Stelle steht, gefolgt von „Marvel Zombies Dead Days“, „Marvel Zombies (Vol. 1)“ und „Marvel Zombies (Vol. 2)“. Dass man mit seinem Lesen dennoch der Veröffentlichung folgen sollte, hat einen ganz einfachen Grund: der Einstieg wird dadurch wesentlich brachialer beziehungsweise. brutaler ... und um nichts anderes geht es ja.
Der Reiz dieses Zombie-Ansatzes liegt fraglos in unserem Voyeurismus begründet. Endlich kann man seine Helden richtig leiden sehen. Und mit „leiden“ ist nicht dieses selbstzweiflerische Psycho-Gesülze ambivalenter Charaktere gemeint, sondern das Ausreißen von Gliedmaßen, das Fressen von Gehirnen, das Zerreißen, Köpfen und Ausweiden; das Jammern ob der eigenen Unbeherrschheit, zu dem sich der eine – zum Beispiel Spider-Man – mehr, ein anderer – beispielsweise Wolverine – weniger hinreißen lässt, ist sozusagen nur das Sahnehäubchen auf dem Helden-Burger. Dafür, dass das ganze Blutbad nicht langweilig wird, sorgen schlussendlich ein Vielzahl perfider und bizarrer Pointen, die einen vermuten lassen, dass Kirkman beim Schreiben von reiner Lust getrieben war.
Das Artwork – jedenfalls der Teil, für den Sean Phillips verantwortlich zeichnet – ist mit seinen tiefen Verschattungen und den rauen Schraffuren grandios düster und damit eine perfekte Umsetzung Kirkmans kranker Ideen. Verglichen damit, fällt der „Army of Darkness“-Part, für dessen Visualisierung Fabiano Neves maßgeblich – wenn auch nicht alleine – zuständig zeichnet, wegen des deutlich glatteren Duktus atmosphärisch spürbar ab, ist für sich genommen aber immer noch ein sehr guter, stimmiger Ansatz.
In editorischer Hinsicht wird dieser außergewöhnliche Sammelband durch eine umfangreiche Cover-Galerie abgerundet, in der jedes Cover einem kleinen Orgasmus gleichkommt – jedenfalls wenn man auf Morbidität und Zerfall steht -, ein Bild jedoch alle anderen überstrahlt: das Dynamite Exclusive Variant Cover zu Ausgabe 3 des „Army of Darkness“-Crossovers, welches eine künstlerische Zombie-Reminiszenz an Jim Starlins bahnbrechende Graphic Novel, „The Death of Captain Marvel“ darstellt.
Fazit: 400 Seiten reine Fleischeslust! 400 Seiten großes Fressen! Für Genre-Fans ein Sattmacher.