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Moers, Walter: Die Stadt der träumenden Bücher (Buch)
Walter Moers:
Die Stadt der träumenden Bücher
Piper, 462 Seiten, 24,90 EUR, ISBN 3-492-04549-9
von Gunther Barnewald
Hildegunst von Mythenmetz ist wieder zurück. Nach Ensel und Krete ist auch Die Stadt der träumenden Bücher ein Meisterwerk aus der Feder des begnadeten Zamonischen Schriftstellers, diesmal sogar mit eindeutig autobiographischem Charakter.
Hildegunst berichtet, wie er seine Heimat, die Lindwurmfeste, verlässt, um Buchhaim aufzusuchen, jene legendäre Stadt, in der sich alles um Bücher dreht.
Buchhaim ist ein Irrgarten von Buchgeschäften und Antiquariaten, wo man selbst die wertvollsten und seltensten Bücher als Schnäppchen kaufen kann, spürt man sie nur in einem Geschäft auf, oder noch besser in dem gewaltigen Labyrinth, welches unter der Stadt liegt.
Eigentlich hatte Hildegunst als angehender Schriftsteller vor, jenen mysteriösen Autor aufzuspüren, den sein Pate dereinst nach Buchhaim schickte, der jedoch verschollen ist und von dem nur eine einzige, wenn auch absolut geniale Erzählung existiert.
Mitten zwischen berühmten Schriftstellern und mysteriösen Bücherjägern merkt Hildegunst zu spät, dass er in eine gewaltige Falle tappt, die durch die mitgebrachte Kurzgeschichte ausgelöst wird.
Ehe er sich versieht, findet er sich tief in der Unterwelt Buchhaims wieder und muss sich dort den unglaublichsten Gefahren stellen...
Das vorliegende Buch ist, nach der leicht enttäuschenden Superheldengeschichte um den Wolpertinger Rumo (geschildert in gleichnamigem Buch), wieder erquicklicher Moers vom (fast) Allerfeinsten.
Lediglich die etwas fehlende Spannung durch die halbe Biographie des Lebens des Erzählers in Ensel und Krete (oder war es doch die Biographie des halben Lebens?), welche ja bereits verrät, dass Hildegunst glimpflich allen Gefahren Buchhaims entkommen ist, und die arg reduzierten weltberühmten “Mythenmetzschen Abschweifungen”, verringern den Lesegenuss etwas.
Die gradliniger Erzählweise trägt andererseits wieder dazu bei, die Spannung der Geschichte zu erhöhen, den Leser bei der Stange zu halten.
Erfreulich ist vor allem, dass der Umfang der Geschichte mit knapp 500 Seiten gegenüber Rumo deutlich geschrumpft ist, was der Lesbarkeit außerordentlich zuträglicher ist.
Alte Bekannte dürfen natürlich auch nicht fehlen. So begegnet Hildegunst erstmals seinem Erzfeind, dem Kritiker Laptantidel Latuda, den dereinst ein furchtbares Schicksal ereilen wird. Leider ist diese Begegnung viel zu kurz ausgefallen.
Auch ein Mitglied der Haifischmadenfamilie Smeik spielt, ähnlich wie in Rumo, diesmal wieder ein wichtige Rolle.
Wieder über alle Zweifel erhaben sind die herrlichen Zeichnungen des Autors und sein innovativer Einsatz von Schriftarten und graphischen Ideen, welche das Auge des Lesers erfreuen.
Neben lebenden Büchern, vergifteten Bücher, durch parfümierte Geruchsessenzen schreckenauslösenden Horrorbüchern, Buchlingen, die sich vom Lesen ernähren und durch Lesen entstehen, und anderen Wundern fährt Moers wieder einen Steinbruch von Ideen auf, welcher phantasiebegabte Leser einfach in Verzückung versetzen muss.
Natürlich ist eine Geschichte, die in einer Bücherstadt voller Antiquariate spielt, auch ein Heimspiel für den Autor bei allen bibliophilen Lesern. Hier kann nichts schief gehen!
Tut es auch nicht! Souverän erzählt der Autor eine wunderbare Gruselgeschichte voller düsterer Abenteuer und Gefahren, die den Rezipienten unweigerlich in seinen Bann zieht.
Dass der Autor trotz seiner herrlich opulenten und kruden Phantasien immer wieder mit seinen neuen Werken die Bestsellerliste erklettert, gibt Hoffnung bezüglich des Vorhandenseins einer breiten Leserschaft, die gut erzählte, schmissige Geschichten zu schätzen weiß, ohne sich von bunten Ideen und einer überbordenden Phantasie abschrecken zu lassen.
Wo Michael Ende dereinst in Deutschland begann den geistigen Horizont der Leser zu erweitern, da wandelt nun Walter Moers mit breiter Brust und gewaltigen Pranken in dessen Fußstapfen.
Hoffentlich wird es noch viele durchgeknallte Erzählungen aus dem wundersamen Zamonien geben, über die wir lachen und weinen können, die unsere Phantasie anregen, uns blendend unterhalten und die vor allem unsere Aufmerksamkeit auf jene herrlichen Welten lenken, die jeder kreative Mensch in seinem Kopf hat.
Moers beweist wie vergnüglich und herrlich eine dieser Welten sein kann, die bei ihm Zamonien heißt.
hinzugefügt: October 27th 2004 Tester: Gunther Barnewald Punkte: Hits: 2950 Sprache: german
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