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Lancester, Peter: Das blaue Portal (Die Chroniken der Anderwelten 1) (Buch)

Die Chroniken der Anderwelten 1
Peter Lancester
Das blaue Portal
Titelbild: Ugurcan Yüce
Fantasy, Eldur Verlag 2004, Taschenbuch, 360 Seiten, 9,95 Euro, ISBN 3-937419-01-2

von Christoph Zuber

Burg Grauenfels in Hessen: Hier leben Otto und Eugenia mit ihrer Tochter Eva und Ottos etwas seltsamem Bruder Friedrich. Eines Tages öffnet sich im Weinkeller der Burg eine Geheimtür, aus der sprechende, menschenähnliche Pferde auftauchen. Bald entdecken die Schlossherren, dass hinter der Tür eine kilometerlange Treppe nach unten führt, die in einem Tor endet, das den Zugang zu den sogenannten ‚Anderwelten’ darstellt. Aus einer dieser Welten sind die Pferde gekommen, die von den dort lebenden Menschen als Arbeiter-Sklaven gehalten werden. Aber unsere Welt haben sie sich leicht anders vorgestellt …

Bei „Das blaue Tor“ handelt es sich um den ersten Teil einer fünfteiligen Fantasy-Reihe namens „Die Chroniken der Anderwelten“, die im neu gegründeten Eldur Verlag erscheint. Peter Lancester ist dabei das Pseudonym des Herausgebers bzw. Verlagschefs Peter Dobrovka, was witzig ist, hat doch jener Peter Dobrovka auf der Eldur-Homepage ein abmahnendes Pamphlet über Eigenverlage geschrieben. Und, naja, ein Buch von Dobrovka im Verlag von Dobrovka ist halt irgendwie nicht viel anderes als – genau – eine Eigenverlags-Veröffentlichung. Wobei gegen eine solche ja an sich auch nichts einzuwenden ist. Was aber das eine 'Ich' des Eigenverlegers selber nicht ganz so sieht. Wie auch immer.

Davon einmal abgesehen kann man auf den ersten Blick nichts an dieser Veröffentlichung aussetzen. Cover, Satz und Druck sind wie bei allen Büchern, die der Eldur-Verlag in Eigenregie herausgibt, sehr professionell gehalten und durchaus ansprechend gestaltet. Etwas verwirrend sind allerdings die Absätze, die jeweils mit Initialen, also diesen kunstvoll gestalteten Grossbuchstaben, beginnen – was aber leider bei ziemlich vielen Absätzen wiederum vergessen wurde. Ich konnte zumindest bis zum Ende des Buches kein Muster feststellen, so dass ich davon ausgehen muss, dass hier jemand beim Setzen des Buches etwas heftig geschlampt hat. Ach, und während das gefakte Porträt des Autoren auf der ersten Innenseite noch als halbwegs lustig durchgehen kann, finde ich dumme Sprüche oder ulkige Namen im Impressum eher unpassend und eines Verlags mit diesem Auftreten nicht würdig.

Kommen wir aber nun endlich zum Inhalt des Buches. Die Zusammenfassung auf dem Buchrücken macht durchaus neugierig, und der Einstieg in das Buch ist denn auch gleich sehr gut gelungen. Ganz allgemein kann man sagen, dass der Text sich sehr flüssig liest und zeigt, dass der Autor von Spannungsaufbau und Atmosphäre Ahnung hat. Keine hingeschluderte Schnellveröffentlichung, sondern ein durchaus ausgereifter Text ohne nennenswerte Fehler oder Stilblüten, soviel muss ich Herrn Lances… äh, Dobrovka zugestehen.

Die Story an sich ist eher belanglos, so richtig mitgerissen wird man von der Geschichte nie. Und leider wird sie auch des öfteren durch eher nutzlose oder langweilige Passagen unterbrochen, die etwas zu häufig so wirken, als ob der Autor den Text um jeden Preis hätte strecken wollen. Glücklicherweise wechseln sich solche Szenen aber immer rechtzeitig genug wieder mit spannenderen Teilen ab, so dass man als Leser jeweils nur haarscharf in Versuchung gerät, aufzugeben und das Buch wegzulegen.

Richtig schwer wird es ab Seite 120, wenn die Erlebnisse von Wilhelm von Grauenfels im 15. Jahrhundert aufgerollt werden. Der Einstieg in diesen Teil ist leider sehr mühsam und langweilig. Insbesondere fangen auf dieser Seite auch die zahlreichen Fussnoten an, mit denen der Autor die Leser wohl für dumm verkaufen will. So wird unter anderem erklärt, wer Che Guevara war oder woher diverse Sprichworte kommen. Naja, und später, wenn die Handlung in der Vergangenheit interessant wird, wechselt der Autor wieder in die Gegenwart, womit ich als Leser eigentlich nie da weiterlesen konnte, wo ich gewollt hätte.

Ein weiterer negativer Punkt sind die handelnden Personen. Die sind leider rechtschaffen uninteressant. Grob gesagt werden diverse Stereotypen abgedeckt, alle davon mit ein oder zwei ‚individuellen’ Macken versehen. Sympathien konnte ich weder für die nervige menschliche Hauptperson Eva, noch für eines der Pferdchen empfinden. Das ist zwar nicht schlimm, hat aber das Risiko auch entscheidend vergrössert, das Buch in der Mitte abzubrechen, weil mir die Charaktere nun wirklich sowas von egal waren. Ich hoffe, dass künftige Bücher das Augenmerk etwas mehr auf zumindest eine Sympathiefigur werfen werden.

Vier weitere Teile wird die Serie noch umfassen. Nach dem Ende des ersten bin ich einigermassen gespannt, wie es mit dem zweiten Buch weitergeht (obwohl die Vorschau erschreckend an ‚Mulan’ erinnert). Gleichzeitig zweifle ich aber auch daran, ob diese „Anderwelten“ wirklich genug Stoff für fünf Bücher zu bieten haben. Der Autor selber ist der Meinung, dass sein Werk „in puncto Komplexität und Tiefe den Vergleich mit Tolkien nicht scheuen muss“ (Dobrovka über Lance…, äh, Dobrovka auf der Eldur-Homepage) . Das darf er sein. Aber ebenso darf ich ihm widersprechen, und zwar entschieden. Im Vergleich mit Tolkien oder anderen, ähnlichen Fantasy-Werken sind Story und Hintergründe viel zu banal und handgestrickt. Es handelt sich halt ‚bloss’ um eine nette kleine Fantasy-Geschichte. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.

Zum Schluss noch was zur Zielgruppe des Buches. Ohne dem Autor hier Unrecht tun zu wollen - Man kann leider trotz mancher verdächtiger Passage nicht zwingend davon ausgehen, dass das Werk als Jugendbuch intendiert war, womit vielen eher infantilen Szenen Gerechtigkeit widerfahren würde, denn dafür sind dann wiederum andere Stellen schlicht zu brutal oder 'explizit'. Das Buch ist also bestenfalls eine Art Jugendbuch-Erwachsenenroman-Bastard, aber trotz Tendenzen zum einen oder zum anderen immer zu unentschlossen, um eines von beidem zu sein.

Kann ich das Buch empfehlen? Schwer zu sagen. Das Buch hat seine Stärken und Schwächen, und auch gegen Ende hin ist eine Richtung noch immer nicht ganz erkennbar. Band 2 abwarten, würde ich sagen. Sollte sich eine Steigerung herauskristallisieren, kann man die „Chroniken der Anderwelten“ durchaus mal antesten, wenn nicht, würde ich eher abraten.

Fazit: Um noch einmal den Autor zu zitieren – „das Beste, was ich in den letzten 10 Jahren gelesen habe“ (Dobrovka über Lan…, tschuldigung, Dobrovka in der Newsgroup de.alt.rec.fantasy) ist dieses Buch nicht. Aber es ist nette Unterhaltung für beinahe die ganze Familie, und das alles verpackt in eine ansprechende Aufmachung. Und ein Preis von 10 Euro ist für dieses Buch durchaus gerechtfertigt.

hinzugefügt: November 3rd 2004
Tester: Christoph Zuber
Punkte:
zugehöriger Link: Eldur Verlag
Hits: 6248
Sprache: german

  

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