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Sträter, Torsten: Hämoglobin (Buch)

Torsten Sträter
Hämoglobin
(Jacks Gutenachtgeschichten 1)
Eldur Verlag, Paperback, 184 Seiten, 7, 95 EUR, ISBN 3-937419-03-9

Von Oliver Naujoks

Falls Sie diesen Kurzgeschichten-Band schon gekauft haben oder noch kaufen möchten und von dieser Rezension nur den Anfang lesen wollen, sollte ich mich beeilen und schicke deshalb ganz schnell voraus: Lassen Sie sich nicht vom Impressum und der ziemlich misslungenen ersten Geschichte abschrecken! Die Ausbeute der darauf folgenden Geschichten ist erfreulich hoch und ergiebig.

So, jetzt aber der Reihe nach.

Der dieses Jahr gestartete Eldur Verlag aus Aachen konzentriert sich im wesentlichen auf Phantastik und möchte in jedem der Genres präsent sein. Folgerichtig ist „Hämoglobin“ der Auftakt der Reihe „Eldur Horror“. Der kleine Band ist schön verarbeitet und das Covermotiv, wenn auch gewöhnungsbedürftig, zumindest originell. Auch originell, aber nicht so schön ist das Impressum. Der Eldur Verlag möchte es zu seinem Markenzeichen machen, möglichst viele Gags im Impressum einzubauen (da steht dann so was wie: „Umschlagsgestaltung: Irgend so ein Gnom aus dem Keller“) und auch möglichst originelle Scherz-Autoren-Biographien zu bieten. Das ist nur ein ziemlicher Schuss in den Fuß, denn so ein Impressum wirkt arg unprofessionell und wenn einem ein Band gefällt und man mehr über den Autor wissen möchte, nervt es natürlich, wenn man da an der Nase herum geführt wird. Hoffentlich stellt der Eldur Verlag diese Praxis schnell wieder ein, ein Impressum eignet sich nicht so gut für Gags, denn das bietet gleich einen schlechten Einstieg in ein Buch.

Was erwartet einen in diesem Band? Insgesamt 11 Horror-Kurzgeschichten, die in der Länge von der kurzen Vignette bis fast zur Novelle variieren. Gehen wir jetzt einfach der Reihe nach und verlieren ein paar Worte zu jeder Geschichte. Wer gleich zum Fazit springen möchte, möge den nächsten Absatz überspringen.

Auch wenn zu jeder Geschichte nun etwas gesagt wird, werden in der Regel keine Pointen verraten, so dass man unbesorgt weiterlesen kann, wenn man die Lektüre des Bandes noch vor sicht hat.
Die Auftaktgeschichte „Jägerlatein (6 S.)“ hätte besser in die Mitte des Bandes gepasst, denn sie gehört zu den schlechtesten des Bandes und verleidet einem erst mal die Lust, weiterzulesen. Eine ganz nette surreale Atmosphäre wird durch eine selten blöde Idee und vor allem durch den Stil des Autors (Gott sei Dank nur in dieser Geschichte), der die Leser mit einer nicht enden wollenden Adjektiv- und Adverbien-Flut nervt, wieder zerstört.
Danach wird es gleich besser, die Titelgeschichte „Hämoglobin (8 S.)“ ist stilistisch um einiges gelungener und kommt mit treffsicheren Bildern und einer erfreulichen Grimmigkeit daher.
Bei „Der Geruch von Blau (22 S.)“ merkt man leider zu schnell, dass es sich um eine Hommage an Murnaus „Nosferatu – Eine Sinfonie des Grauens“ handelt und auch wenn der Autor etwas arg viel Zitate aus dem Film bringt und die Verbindung zwischen der erzählten Geschichte und dem Film nicht unbedingt zwingend ist, bleibt als Resultat aber durchaus ein erfreulicher Eindruck.
Mit „Münzeinwurf (5 S.)“ erwartet einen dann das Highlight des Bandes, eine sehr kurze Vignette, die allerdings so gelungene Bilder und eine formidable Pointe bietet, dass sich der geneigte Verfasser dieser Zeilen dazu versteigen möchte, die Geschichte als preiswürdig zu bezeichnen, die Begeisterung war groß.
Gleich die nächste Geschichte, „Der Mitbewohner (18 S.)“ ist ein weiterer Höhepunkt des Bandes; auch wenn man schnell merkt, dass einem hier ein altbekannter Topos vorgesetzt wird, ist die Geschichte atmosphärisch und stilistisch derart stimmig geraten, dass das Lesevergnügen enorm ist.
Die Pointe von „Nachtprogramm (7 S.)“ ist angesichts der Grimmigkeit der Geschichte etwas zu putzig geraten und verdirbt diese dadurch (Anm. für den Autor nebenbei: In Filmen wird, anders als es in dieser Geschichte steht, gerade nicht in die Kamera geguckt. Nein, hinter der Protagonistin verstecken gildet nicht.)
Unter dem reichlich prätentiösen Titel „Eine Frage der Form oder Vatertag in der Halle der Dilletanten (42 S.)“ erwartet einen dann die längste Geschichte des Bandes, die am Anfang etwas verworren und fußlahm daher kommt und deren Idee nicht gerade berauschend ist, die aber im Finale durch reichlich schwarzen Humor einige Punkte wieder gutmachen kann.
Hinter „Saldo Mortale (8 S.)“ verbirgt sich eine originelle, aber nicht unbedingt zwingende Idee; die Geschichte weiß durch Bösartigkeit aber zu gefallen.
Bei „Ein Brief, zähneknirschend verfasst (6 S.)“ möchte man dem Autor verärgert zurufen, dass er noch dringend an der Fähigkeit des Setzens von Pointen arbeiten muss. Wer eine Geschichte in Briefform verfasst und von Kerlen in Lederzeug schreibt, die kultiviert sprechen, kann die Pointe an jeden, der schon mal 1-2 Gruselgeschichten in seinem Leben gelesen hat, auch gleich per Telegramm vorab schicken. So macht das keinen Spaß.
„Mr. Daniels und ich an der Tankstelle der lebenden Toten (41 S.)“ ist ebenfalls eine längere Geschichte und Gott sei Dank keine weitere Romero-Hommage, wie der Titel vermuten lässt, denn davon gibt es schon reichlich viele. Kommt die Geschichte zunächst nur etwas stockend in Gang, vermag sie sich dann ordentlich zu steigern, wartet mit unheimlich dichter Atmosphäre auf und entlässt den Leser mit einem furiosen und klasse geschriebenen Finale; ebenfalls ein Highlight des Bandes.
Als Nachklapp nach dem Nachwort gibt es noch eine kurze weitere Geschichte namens „Quid pro Quo (6 S.)“, die zwar hübsch schräg daher kommt, mit ihren viel zu häufigen „Schweigen der Lämmer“-Reminiszenzen aber doch etwas langweilt.

Die wenigen Ausfälle des Bandes werden durch eine Vielzahl gelungener oder sogar hervorragender Geschichten wieder aufgewogen, so dass unter dem Strich die Lektüre des Bandes für Horror-Fans uneingeschränkt zu empfehlen ist. Aufgrund der stilistischen Uneinheitlichkeit der Geschichten wird jetzt mal forsch gemutmaßt, dass diese über einen längeren Zeitraum hinweg entstanden, manche Geschichte warten mit einem souveränen Stil auf, andere, wie oben beschrieben, nerven da ein wenig mit unprofessionellem Metaphernreichtum und nicht sitzenden Bildern.
Viele Geschichten durchweht eine angenehm surreale Atmosphäre und auch aus altbekannten Versatzstücken vermag der Autor durchaus interessante Geschichten zu stricken. Gut getan hätte es den Geschichten, wenn der Autor seine Begeisterung für Horror-Filme etwas im Zaum halten könnte, die ständigen Zitate bescheren zwar viele nette Wiedererkennungserlebnisse, sie nehmen den Geschichten im besten Fall aber etwas Originalität und wirken im schlimmsten Fall etwas zu Fan-mäßig (wenn jemand z.B. als aus einem Frühwerk von Peter Jackson entsprungen beschrieben wird). Der Autor kann mehr, so was hat er gar nicht nötig.

Insgesamt kann man die Sammlung Fans von Horror-Geschichten auf jeden Fall ans Herz legen, die Ausbeute ist hoch, gerade zu dem fairen Preis des Bandes. Die Geschichten des Autors machen Lust auf mehr, mal sehen, zwei weitere Bände sind bereits angekündigt.

hinzugefügt: November 29th 2004
Tester: Oliver Naujoks
Punkte:
zugehöriger Link: Eldur Verlag
Hits: 4321
Sprache: german

  

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