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Card, Orson Scott: Enders Schatten (Buch)
Orson Scott Card
Enders Schatten
Originaltitel: Enders Shadow (1999)
Aus dem Amerikanischen von Regina Winter
Festa Verlag, Taschenbuch, 550 Seiten, 9,90 EUR, ISBN 3-86552-005-7
Von Gunther Barnewald
Nachdem der Festa-Verlag bereits das Horror-Genre aufgemischt hat, schicken sich Frank Festa und Herausgeber Michael Nagula nun auch an, frischen Wind in die Sciencefiction hierzulande zu bringen.
Im November erschien der erste Band einer neuen SF-Taschenbuchreihe (fünf Novellen von Dan Simmons unter dem Titel Welten und Zeit genug; ISBN 3-86552-004-9), die mit Werken von Nancy Kress, Robert J. Sawyer und John Barnes vielversprechend fortgesetzt werden soll.
Als zweiter Band dieser Reihe ist gerade Orson Scott Cards voluminöser Roman Enders Shadow erschienen, der, wie der Titel verrät, im selben Universum spielt wie Cards größter kommerzieller Erfolg "Ender´s Game" (dt. unter dem Titel "Das große Spiel"; für Juli 2005 hat der Heyne Verlag übrigens eine überarbeitete Neuauflage des Klassikers angekündigt).
Lange war es in Deutschland still geworden um den amerikanischen Autor, dessen Werke bisher alle bei Bastei Lübbe erschienen waren. Aus unerfindlichen Gründen hat sich Bastei hier jedoch völlig zurückgezogen, weshalb jetzt erfreulicherweise der Festa-Verlag in diese Lücke springt (ein weiterer Roman Cards ist ebenfalls hier angekündigt).
Vielleicht liegt die Zurückhaltung des Verlags aus Bergisch Gladbach darin begründet, dass Cards letzte Werke (Fortsetzungen der Ender-Saga und vor allem der Zyklus “Die Heimkehr”) ziemlich langweilig (oder weniger vornehm ausgedrückt eher unlesbar) waren, sich möglicherweise, trotz des enormen Erfolgs von "Das große Spiel", vielleicht nicht so gut verkauften wie erwartet.
"Enders Shadow" wird die alten Fans von Orson Scott Card aufatmen lassen, ist es doch die Rückkehr zu einer spannenden, interessanten “Space Opera”, die sicherlich den Ruch hat, dass der Autor bei sich selbst abgekupfert hat, jedoch gut lesbar und vor allem unterhaltsam ist.
Dies gilt auch für Leser, die "Ender´s Game" schon kennen, denn "Ender´s Shadow" ist eine Art “Parallelroman” (der Autor nennt es Parallaxe), in der einige der im ersten Ender-Roman geschilderten Ereignisse aus der Sicht eines anderen Kindes erzählt werden.
Card konzentriert sich erst einmal auf die erschreckende Kindheit des Kleinkindes, welches im Verlauf der Geschichte den Namen Bean erhält. Bean wächst in den Elendsvierteln der von Flüchtlingen überfüllten Stadt Rotterdam auf, wo die Verhältnisse womöglich noch schlimmer sind als im heutigen Brasilien.
Nur dank seiner überragenden Intelligenz gelingt es dem Kleinkind, hier zu überleben, sich einer Bande anzuschließen und diese sogar durch subtile Manipulation zu reorganisieren.
Eine Nonne, die auf der Suche nach intelligenten Kindern ist, um diese der Ausbildung des Militärs zur Abwehr der vermeintlichen Invasion Außerirdischer zuzuführen, entdeckt sein Talent und bringt ihn in Sicherheit, denn eigentlich steht Bean auf der Abschußliste eines jungen Serienkillers, dem er zu einem späterem Zeitpunkt in seinem Leben nochmals begegnen wird.
Während Bean die Ausbildung zur gleichen Zeit durchläuft wie die große Hoffnung der Militärs Andrew “Ender” Wiggin, sucht die Nonne die Eltern Beans und wird dabei fündig. Es zeigt sich jedoch, dass man den Jungen genetisch verändert hat.
In der militärischen Ausbildung wird deutlich, dass Bean sogar Enders hohe Intelligenz in den Schatten stellt. Allerdings ist er im Umgang mit seinen Mitmenschen weniger geschickt, weshalb man Ender als Flottenkommandanten den Vorzug gibt.
Und so wird Bean zum Schatten Enders, steht sowohl in dessen Schatten, ist aber auch gleichzeitig so etwas wie dessen Ersatz, sollte dieser versagen.
Mit kühler Klarheit durchschaut Bean viele Dinge, die Ender zuerst verborgen bleiben.
Geschickt setzt der Autor dies ein, um Langeweile beim Leser zu vermeiden, vor allem bei jenen Lesern, die den Plot von
"Ender´s Game" schon kennen. Dies gelingt ihm auch über den größten Teil der Erzählung, lediglich im letzten Kapitel rächt sich das Volumen des Buchs von über 500 Seiten und man sehnt das (natürlich wenig für Kenner überraschende) Ende herbei.
Wäre der Roman um ca. 50 Seiten gegen Schluß der Erzählung kürzer ausgefallen, hätte sich wahrscheinlich niemand beschwert.
Erfreulich am vorliegenden Werk ist allerdings, dass der Autor durch den Charakter des Gossenkinds Bean auch die Leser zu fesseln vermag, die den ersten Ender-Roman schon kennen. Vor allem die Beschreibung des täglichen brutalen Überlebenskampfs auf den Straßen Rotterdams, des Lebens im Elendsviertels und der dortigen Aktivitäten gelingt Card ausnehmend gut.
Dies und Beans Charakter erhalten das Interesse des Lesers aufrecht. Sie zeigen, dass dem Autor hier mehr gelungen ist als ein matter Abglanz seines Bestsellers.
Interessant ist auch die weitere Entwicklung der Charaktere Bean und Ender, die aus völlig verschiedenen Lebensumständen kommen, sich jedoch völlig konträr zu diesen entwickeln. Während der behütet aufgewachsene Ender auch zum persönlichen Mörder eines anderen Jungen in der Ausbildung wird, der Ender seinerseits töten will, entschließt sich der eigentlich verroht erscheinende Bean dazu, seinen potenziellen Mörder zu verschonen, obwohl er ihn problemlos hätte beseitigen können. Während der “Gruppenmensch” Ender allein agiert, entschließt sich Bean dazu, sich von anderen helfen zu lassen.
Dies macht Bean bei aller überintellektuellen Gefühlskälte sympathisch und liebenswert.
Allerdings ist Beans übergroße Intelligenz auch eines der größten Probleme der Geschichte, denn Bean hat anfangs nichts von einem normalen Kind an sich, ist eher ein altkluger Erwachsener und wirkt zeitweise nicht nur für seine Umgebung, sondern auch für den Leser, blasiert und unnahbar. Erst gegen Ende der Geschichte offenbart sich deutlicher, dass auch Bean geliebt und anerkannt werden möchte, dass er also doch auch menschliche Seiten hat.
Insgesamt ist "Enders Shadow" zwar nicht ganz so überzeugend wie "Enders Game", verglichen mit Cards letzten Publikationen in deutscher Sprache (die genau an jener überintellektuellen Korinthenkackerei litten, zu der auch Bean oft neigt, die der Autor hier aber geschickt Instrumentalisiert, um die Erzählung voranzutreiben und die Spannung aufrecht zu erhalten) ist der Roman interessante und vor allem packende Lektüre, die vor allem jenen Lesern empfohlen werden kann, die Cards frühere Werke mochten.
Zumindest Enders Schatten ist wahrlich ein gelungener Einstand für die neue SF-Reihe des Festa-Verlags!
hinzugefügt: January 17th 2005 Tester: Gunther Barnewald Punkte: zugehöriger Link: Festa Verlag Hits: 3755 Sprache: german
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Card, Orson Scott: Enders Schatten (Buch) Geschrieben von Anonymous auf 2009-12-05 11:41:26 Meine Wertung:
Soma Paxil
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