Welcome to Phantastik-News
 
 

  Inhalt

· Home
· Archiv
· Impressum
· Kino- & DVD-Vorschau
· News melden
· Newsletter abonnieren
· Rezensionen
· Suche
· Zum Forum!
 

  Newsletter

Newsletter-Abo
 

 
 

Martin, George R.R. & Tuttle, Lisa: Windhaven (Buch)

George R. R. Martin / Lisa Tuttle:
Sturm über Windhaven

Originaltitel: Windhaven (1981).
Ins Deutsche übertragen von Angelika Fuchs.
München: Verlagsgruppe Random House 2005.
Blanvalet Taschenbuch 24304.
448 Seiten. 8,95 Euro.

ISBN 3-442-24304-1


von Gunther Barnewald


Eine interessante Publikationsgeschichte hat Windhaven in Deutschland aufzuweisen. Zuerst erschien das Buch 1985, gesplittet in zwei Teile als Taschenbücher bei Moewig, versehen mit den Nummern 3669 bzw. 3681 unter dem Titel Kinder der Stürme. Im Jahre 2003 legte der Verlag Fantasy Productions aus Erkrath das Buch als Hardcover wieder auf. Blanvalet folgt nun mit der Taschenbuchausgabe, wobei allerdings bei keiner der späteren Ausgaben eine Neuübersetzung vorgenommen wurde.
Noch interessanter ist sicherlich die Tatsache, dass die Programmvorschau bei Blanvalet das Taschenbuch als “Deutsche Erstveröffentlichung” anpreist, was zweifellos ein heftiger Fauxpas ist, denn selbst wenn man bei Random House noch nie etwas von der Ausgabe bei Moewig gehört haben sollte, so dürfte doch die Lizenznahme von Fantasy Productions nicht so einfach unterschlagen werden, denn woher sonst hat Blanvalet die Rechte und die Übersetzung (die wie gesagt schon aus den 80er Jahren datiert)? Von “Deutscher Erstveröffentlichung” kann also keine Rede sein (noch nicht einmal in diesem Jahrtausend!). Immerhin findet sich dieser Fehler nicht mehr auf dem Cover der Blanvalet Taschenbuchausgabe.
Ansonsten ist es sehr löblich, dass man bei Blanvalet diesen hervorragenden SF-Roman wieder aufgelegt hat, denn wunderbare Abenteuer-SF ist wahrlich selten geworden. Wer das Werk noch nicht kennt, aber Fan ist von z. B Jack Vance, dem wird sicherlich auch Windhaven gefallen. Überhaupt erinnert das Buch etwas an The Blue World (dt. Der azurne Planet bzw. Die blaue Welt), wenn auch die farbenprächtigen und extrem exotischen Details eines Jack Vance fehlen.
Ähnlich wie in The Blue World wird auch in Windhaven ein Planet beschrieben, auf dem sich Menschen von der Erde angesiedelt haben. Eigentlich hatte die Expedition ja einen anderen Planeten erreichen wollen, war dann jedoch auf Windhaven gestrandet, hatte ihr eigentliches Ziel nicht mehr erreichen können.
Auf Windhaven gibt es kaum Landoberfläche, sondern nur einige verstreute Inselgruppen. Das Meer ist von riesigen Lebewesen bevölkert, welche die Schiffahrt extrem gefährlich machen und erschweren.
Doch zum Glück bläst das ganze Jahr ein starker Wind über diese Welt, kaum gebremst durch die (fehlenden) Landmassen. Obwohl sich die Autoren nicht darüber auslassen, ist zu vermuten, dass auch die Schwerkraft auf Windhaven deutlich geringer ist als auf der Erde. Denn aus dem nahezu unzerstörbaren Sonnensegel des Raumschiffs werden deshalb kleine Abschnitte gefertigt, die als Flügel verwendet werden. Durch diese ist es den Menschen auf Windhaven möglich durch die Lüfte zu gleiten, die starken Winde nutzend.
Aber natürlich steht nur eine beschränkte Anzahl Flügel zur Verfügung und so entsteht auf den Inseln ein strenges Kastensystem von wenigen Flügelbesitzern, die als Boten arbeiten und dabei wohlhabend werden, zumal sie ein Monopol besitzen.
Nach Generationen scheint dieses Kastensystem gefestigt und verkrustet.
Die junge Maris ist eine von jenen Träumerinnen, die sich nichts sehnlicher wünschen, als durch die Lüfte zu schweben. Leider sind ihre Eltern Fischer. Doch Maris hat Glück, wird von einem älteren Flieger adoptiert, der selbst keine Kinder hat. Maris durchläuft so die Fliegerausbildung, als überraschend die Frau des Fliegers doch noch ein Kind zur Welt bringt. Und so wächst der junge Coll heran, ein talentierter und begeisterter Sänger, der absolut nicht fliegen möchte, jedoch von seiner Erbfolge dazu gezwungen scheint, während Maris das zu verlieren droht, was ihr mit Abstand am meisten bedeutet in ihrem Leben.
Maris kämpft jedoch gegen das erstarrte System an und tatsächlich gelingt es ihr eine Änderung anzuregen, denn die etablierten Flieger verlieren ebenfalls automatisch ihre Flügel, wenn das älteste Kind 13 Jahre alt ist, was viele von ihnen ebenfalls als ungerecht empfinden. Und so wird der Himmel geöffnet für talentierte Flieger, Flugschulen werden errichtet.
Maris ahnt jedoch nicht, was die von ihr bewirkte Veränderung wirklich bedeutet, und wie sehr sie eingreift in die Psyche der Menschen und auch in die gesellschaftliche Stabilität der Inseln.
Erst nach und nach erkennt Maris den Hass, die Verachtung der Etablierten und die große Gefahr, die ein instabil gewordenes System birgt, welches möglichen Diktatoren bei der Machtergreifung helfen könnte.
In drei längeren Episoden (plus Pro- und Epilog) schildern die Autoren die tiefgreifenden Veränderungen, welche die von Maris angeregte Reform hat. Jeweils aus Maris Sicht erzählen sie dabei eine phantastische und spannende Geschichte, die trotz Pathos anrührend und bewegend ist.
Neben der interessanten Handlung steht dabei das gesellschaftliche System auf Windhaven im Mittelpunkt. Gleichfalls gekonnt entwerfen die Autoren mehrere glaubhafte Charaktere, die in dieser fremdartigen Umgebung interagieren. Standesdünkel, Konventionen und die Gegebenheiten der menschlichen Gesellschaft auf dem Planeten Windhaven werden überzeugend ausgearbeitet, treiben die Handlung voran und erzeugen Reibungen und Spannungen.
Windhaven ist sicherlich einer der unterhaltsamsten Abenteuer-SF-Romane der 80er Jahre. Gewürzt mit einer guten Prise Niveau und Anspruch erzählt er eine anregende Geschichte, vermeidet Klischees und hält geschickt die Waage zwischen Amüsement des Lesers und intelligenter Handlung.
Und da Blanvalet das Buch erstmals als TB in einem Band bietet, seien alle Leser eingeladen zur Lektüre, die fremde Planeten und spannende Unterhaltung zu schätzen wissen, die die Geschichte noch nicht kennen (oder gerne in einem Band lesen möchten) und die sich nicht mit den ewig gleichen Gut-gegen-Böse-Trivialitäten langweilen lassen wollen.
Vor allem ist Windhaven aber auch ein toller Einzelroman, der sich intensiv mit den wichtigsten Stationen im Leben der mutigen Maris auseinandersetzt, einer Protagonistin mit Stärken und Schwächen, sympathisch menschlich. Fortsetzungen sind zum Glück nicht in Sicht und vor allem keine Umarbeitung in einen x-bändigen Zyklus, dem dann weitere Zyklen folgen. Schon dies macht Windhaven zu einer ganz besonderen (und seltenen!) Neuerscheinung im Blanvalet Phantastikprogramm.


hinzugefügt: January 17th 2005
Tester: Gunther Barnewald
Punkte:
Hits: 2894
Sprache:

  

[ Zurück zur Übersicht der Testberichte | Kommentar schreiben ]