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Kalis, Albertus von: Siegfried der Vampir (Buch)
Albertus von Kalis
Siegfried der Vampir
Hexenmond-Verlag, Paperback, 317 Seiten, 9,80 EUR, ISBN 3-9809645-0-7
Von Britta van den Boom
Vampirgeschichten erleben zur Zeit einen Aufschwung – nicht nur, weil die Gothic-Welle rollt, sondern auch, weil der Vampir von jeher einer der Untoten ist, über den es sich gut schreiben lässt. Er verkörpert wie kein anderes Wesen den Zwiespalt zwischen Macht und Einsamkeit und beleuchtet die Abgründe der menschlichen Psyche. Somit eignet er sich hervorragend als symbolträchtige Figur für tiefgründige Geschichten.
Das Vorwort des Buches „Siegfried der Vampir“ – zusammen mit dem düsteren Cover, das entweder einem modernen Künstler oder einer 6.-Klasse-Kunststunde entsprungen sein muss – bringt einen dann auch schnell auf den Gedanken, dass Albertus von Kalis so einen Roman im Sinn hatte. Von einer „großartigen Geschichte“ ist da selbstbewusst die Rede, von „Werten wie Freiheit und Würde und einige grundverschiedene Blickwinkel auf diese seltsame Welt“, von einer „Reise unter die Oberfläche“, die uns an „hohe Plätze des Geistes“ führt. Spätestens als ich die Sätze „Die Tür oben öffnet sich nun mal mit einem anderen Schlüssel als die untere. Die Mitte kennen wir alle zu Genüge“ lese, keimt in mir der Verdacht auf, dass dieses Buch meinen Horizont und meine Erwartung, einfach einen Vampirroman vor mir zu haben, übersteigen wird. Zudem hat das Werk auch einen historischen Anspruch und bezieht sich auf eine Katastrophe in einem Dorf namens Zorndorf bei Nürnberg im Jahre 1457.
Diese hohen Erwartungen kann das Buch allerdings in keiner Weise erfüllen. Einige sehr hübsche und poetische Sätze können die zahlreichen und schwerwiegenden Mängel der Geschichte leider nicht aufwiegen.
Die reinen Geschehnisse um den jungen Mann Siegfried aus dem Ort Zorndorf sollten eigentlich abenteuerlich sein. Um seine Geliebte Ingrid vor einem tödlichen Verdachte zu retten, klagt Siegfried die Hexe des Dorfes an, einen Bauern in Gestalt eines Werwolfes getötet zu haben. Die wütende Menge macht sich auf, die Frau zu verbrennen – und deren Rache trifft Siegfried in Form eines Vampirfluches, der ihn aus dem Dorf verbannt. Auf seiner Flucht trifft er auf andere Vampire, unter ihnen die melancholische Elisabeth, in die er sich verliebt und mit der er nach Venedig reist. Doch Siegfried kehrt nach Hause zurück und ihm gelingt es, den Fluch des Vampirseins zu brechen und seinem Dorf bei einem Angriff der Nürnberger beizustehen. Eine runde Geschichte, möchte man sagen: der Verlust von Glück und Idylle, die gefährliche Suche und Wanderung und schließlich die Rückkehr mit den gewonnenen Erkenntnissen und dem Wissen, die eine Wiederholung des „Sündenfalls“ am Beginn unmöglich machen.
Doch die Umsetzung ist nicht gelungen, was an der unspannenden und selbst in Kampf-, Liebes- und Aktionsszenen gar nicht mitreißenden Erzählweise des Autors liegt. Obwohl oftmals aus der Perspektive der Charaktere geschrieben, mit ihren Wünschen, Ängsten und Gefühlen ergänzt, bleibt stets eine große Distanz, so als würde ein unbeteiligter Beobachter den Text eines altmodischen Theaterstückes vorlesen.
Die Charaktere sind zum größten Teil so dünn und schablonenhaft, dass Pergamentpapier dagegen solide wirkt – sie sind nicht mehr als Stereotypen, die ihren Dienst in der Geschichte erfüllen und wieder gehen. Die Erzählweise ist sprunghaft, unrund und unausgereift, die Dialoge sind hölzern und machen wenig Freude beim Lesen, stellenweise erinnert das Buch an einen Schüleraufsatz. Der Autor hätte dem Werk und seinen Lesern einen großen Gefallen getan, wenn er einen Lektor an das Manuskript gelassen hätte. Auf diese Weise wären nicht nur die üblichen Fehler wie Wortwiederholungen, zu lange Sätze und zahlreiche Rechtschreibfehler vermieden worden. Auch schwerwiegendere Mängel wie inhaltliche Unstimmigkeiten (so reißt der Vampir Siegfried einem Opfer die Kehle auf und trinkt so dessen Blut, ist aber nachher in keiner Weise damit beschmutzt) und Formulierungen, die unfreiwillig komisch wirken und ernsthaften Zweifel daran lassen, ob der Autor der deutschen Sprache wirklich mächtig ist, hätte man dadurch ausgeräumt. Da eröffnet Ingrid dem Helden, dass sie vor zwei Jahren schwanger mit ihm war – ohne dass sich dahinter ein magischer Ödipuskomplex verbergen würde. Da blicken ihn die „reservierten und leicht angewiderten Augen einer jungen Dame an“ und da schreibt der Autor nicht, dass Ingrid über einen Witz ihres Liebsten lacht, sondern wortwörtlich „Hahaha, komm her, du dummer Junge mit den strahlend blauen Augen!“.
Schlimmer noch: der Autor mischt sich als Erzähler immer wieder ein, plaudert über die Geschehnisse, gibt zusätzliche Informationen wie ein unfreiwillig dazugeschaltetes Lexikon und an einer Stelle sogar das wenig mittelalterliche Rezept für eine Portion Spaghetti Bolognese, weil es so lecker ist, „zum reinsetzen sozusagen“.
Auch der Anspruch, hier ein historisch fundiertes Werk zu schreiben, ist höchst fraglich. Ich habe nicht nachgeforscht, ob Götz von Berlichingen einer der Berserker im Dienste des Kaisers Friedrich III gewesen ist, die „furchtlose Kolosse“, waren und nur töten und vernichten konnte, so dass manchmal „einige Hundert Berserker eine mehrere tausend Mann starke Armee alleine niedermetzelten.“ Aber ich weiß, dass der Satz „Sie wurden von Armbrustpfeilen beschossen“ doppelt falsch ist, denn einerseits können Armbrustpfeile nicht schießen und andererseits handelt es sich bei ihnen um Bolzen. Auch die heute so selbstverständliche Praxis, sich eine Scheibe Brot mit Butter zu schmieren und mit Schinken zu belegen ist alles andere als mittelalterlich. So mag der Autor sich tatsächlich auf historische Ereignisse beziehen und versuchen, sie mit dem Vampirmythos zu verknüpfen, doch hätte es der Geschichte keinen Abbruch getan, wenn sie in einer weniger zeitlich und räumlich festgelegten Welt gespielt hätte, in der solche unpassenden Details nicht unangenehm ins Auge fallen.
Die kurzen Gedichte, die jedes Kapitel einleiten und eine Zusammenfassung der kommenden Ereignisse geben, sind ebenfalls von einer sehr zweifelhaften Qualität und erinnern mehr an Knüttelreime „Auf Burg Brockenfels dort oben, leben Teufel, die grässlich toben. Man findet Leichen ganz ohne Blut, das ist, so sagt man, die teuflische Brut“ oder „Ferdinand ist nun ein besonderer Inquisitor, Redet immer, kaut jedem ab das Ohr“. Allzu oft regiert das Prinzip „reim dich, oder ich fress’ dich“. Sollte dies der Versuch gewesen sein, in Tolkiens Fußstapfen zu treten und eine Geschichte durch Gedichte lebendiger zu machen und neben dem literarischen auch ein poetisches Werk zu schaffen, so ist das ganz offensichtlich nicht gelungen.
Die Moral der ganzen Geschichte um Menschen, Blutsauger und Werwölfe muss der Leser nicht lange suchen: er bekommt sie in einem Dialog, der wie ein Vernehmungsprotokoll gestaltet ist, zum Ende des Buches vom Autor auf dem Silbertablett. Und wer es dann noch nicht verstanden hat, der muss nur das Nachwort lesen, in dem sich der Erzähler Albertus in seiner verwirrenden und zugleich plakativen Art noch einmal über die bösen Menschen der Gesellschaft auslässt.
Der Roman „Siegfried der Vampir“ lässt mich ratlos zurück. Hier hat sich der Autor Albertus von Kalis sehr viel Mühe mit einem Werk gegeben, das offensichtlich eine anspruchsvolle moralische Botschaft transportieren sollte. Er hat sich auf das Wagnis eingelassen, eine historische und eine phantastische Geschichte zu einem überlangen Gleichnis zu verknüpfen und zudem den Anspruch aufgebaut, eine abenteuerliche und tiefgründige Erzählung zu bieten. Ich habe den Eindruck, dass er damit großen literarischen Vorbildern nacheifern wollte, indem er Stilmittel wie den sich persönlich meldenden Erzähler oder Gedichte einfließen ließ.
Bei all diesen Ansprüchen bleibt die Frage, weswegen sich der Autor anscheinend alleine auf das Wagnis dieses Romans eingelassen hat, ohne Lektoren oder neutrale Leser vorher das Werk begutachten zu lassen – denn so hätten sich vielleicht zahlreiche Schnitzer vermeiden lassen, die jeden Lesegenuss des Buches verhindern. In der Form, in der das Buch jetzt vorliegt, ist es in keiner Weise zu empfehlen, weder als Unterhaltungslektüre noch als Geschichte mit Tiefgang.
hinzugefügt: March 21st 2005 Tester: Britta van den Boom Punkte: zugehöriger Link: Hexenmond Verlag Hits: 3793 Sprache: german
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