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Marrak, Michael: Morphogenesis (Buch)
Michael Marrak
Morphogenesis
Titelillustration von Michael Whelan
Bastei-Lübbe, Taschenbuch, 685 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 3-404-24339-0
Von Carsten Kuhr
Michael Marrak zählt nicht erst seit der Publikation seiner beiden jeweils preisgekrönten Romane "Lord Gamma" und "Imagon" zu den renommiertesten Autoren der deutschsprachigen Szene. Erschienen die beiden genannten Werke zunächst in sogenannten Nischenverlagen - "Lord Gamma" bei Shayol, "Imagon" im Festa Verlag - so sicherte sich der Bastei-Lübbe Verlag, in dem diese Titel als Taschenbücher neuaufgelegt wurden, die Originalrechte an dem aktuellen Werk Marraks.
Um was geht es in "Morphongenesis" - eine einfache Frage, die aber gar nicht so einfach zu beantworten ist.
Alles fängt ein wenig an, wie einer der beliebten Abenteuer-KIassiker. Unser Erzähler, ein Archäologe, entdeckt tief in der ägyptischen Wüste eine Pyramide. Doch statt der üblichen Seiten, ist diese in Form eines Sechsecks angeordnet. Tief im Innern der Pyramide stoßen die Forscher auf eine Vakuumkammer, in der Hippolyt Krispin, unser Erzähler, einen Goldreif in Form einer sich in den Schwanz beißenden Schlange entdeckt. Kurz darauf suchen Visionen Hippolyt heim. Eine betörend verführerische Frau erbittet sich eine Gunst von ihm. Blutbesudelt wacht er vor dem Kairoer Sheraton auf, ein zwielichtiger Taxifahrer bringt ihn gerade rechtzeitig zu seinem wartenden Flugzeug. Doch dann beginnt sein Martyrium erst. Scheinbar derselbe Mann der ihn zum Airport chauffierte steuert das Flugzeug, das in Minutenschnelle riesige Entfernungen überbrückt. Umgestiegen auf ein kleineres Modell kutschiert ihn wiederum derselbe Kapitän mitten hinein in eine gigantische Wolke, in der sie landen.
In einer Wolke landen, hat der Rezensent hier etwas falsch verstanden? Doch es kommt noch phantastischer. Der weitere Weg führt unseren Forscher tief hinein in eine Multi-Kulturelle Hölle. Sein Körper - das weltliche Gefäß liegt im Koma danieder - wurde wie der Leib aller Büßer dieser Hölle mit Nanobots aufgepäppelt, damit das ewige Leiden nicht zu bald endet Und so macht sich unser Held auf den Weg quer durch die Kreise der Hölle auf der Suche nach einem Sinn und natürlich auch einem Ausweg. Verfolgt von künstlichen, nichtsdestotrotz grausamen Wesen und Wärtern, verraten von vermeintlichen Freunden und unterstützt von zwielichtigen Gestalten durchquert unser Held ein gar absonderliches Land. Immer wieder kommt er ums Leben nur um kurz darauf, wie alle Mitsünder auch, von Nanobots wieder zusammengeflickt zu neuer Existenz zu erwachen. Dabei kommt er der Lösung des Rätsels der menschlichen Existenz, der Frage eines allmächtigen Schöpfers und der Existenz von Himmel und Hölle immer näher. Er entdeckt die Büchse der Pandora, nur um erneut neuen Rätseln und Mysterien gegenüberzustehen.
Der Roman ist eine wahre Tour de Force. Der Klappentext beschreibt das Buch plakativ als "wie ein Gemälde von Hieronymus Bosch" - und das Bonmot trifft zu.
Mit einer überquellenden Phantasie gesegnet präsentiert uns Marrak hier die Vision einer Hölle die altehrwürdige Motive ebenso nutzt, wie neueste technische Entwicklungen. Aus dem Miteinander von Pechseen und Robotwächtern, von Dante´schen Folterbeschreibungen und technischer Hochkultur vermixt mit einem gehörigen Schuss altägyptischer Mythologie entwickelt sich peu a peu ein faszinierendes, verschachteltes Bild einer Hölle, die erschreckend, ja verstörend auf mich wirkte. Dabei ist es nicht einmal unbedingt der Protagonist gewesen, der mich fesselte. Mehr das Rätsel, wer hinter den Masken der Begleiter unseres Helden steckt, wer und warum die Hölle überhaupt geschaffen hat und die Frage, ob es zum Fegefeuer auch ein Pendant geben muss, sie fesselten mich.
Obwohl mich das lang herbeigesehnten abrupte Finale ein wenig hilflos zurückließ lohnte sich die Lektüre, bietet Marrak seinen Lesern doch eine ungewöhnliche, in Teilen nervenaufreibende Schilderung einer ganz eigenen Höllenvision.
hinzugefügt: June 27th 2005 Tester: Carsten Kuhr Punkte: zugehöriger Link: Lübbe Verlag Hits: 2839 Sprache: german
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