Chelsea Quinn Yarbro
Palast der Vampire
(The Palace)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Alfons Winkelmann
Titelillustration: Gebrüder Hildebrand
Festa Verlag, Paperback, 508 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 3-86552-012-X
Von Carsten Kuhr
Wir schreiben das Jahr des Herren 1491. Im zweiten Roman um das Leben des Grafen de Saint Germain residiert dieser, diesmal unter dem Namen Francesco Racoczi da San Germano in Florenz. Als Freund von Laurenco di Medici begleitet er den Kunstmäzen und bedeutendsten Bankier der Republik Florenz auf seinem letzten Weg. Sein in der Handelsmetropole in nur einem Jahr erstellter Palast gehört zu den herausragendsten Kunstwerken der Renaissance, sein Leben als Alchemist zieht Interessierte und Neider in seinen Herrschaftssitz. Doch gleichzeitig wettert der Dominikanerbruder Savonarola gegen Kunst und Kultur. Nach dem Tod des mächtigen Medici Fürsten bricht eine dunkle Zeit für Florenz an. Erst brennen auf dem Scheiterhaufen Kunstwerke, später dann sogar Menschen. Auch die Geliebte Saint Germains wurde von den Dominikanern unter Savonarola gefangen genommen und gefoltert. Als Saint Germain, der sich rechtzeitig nach Venedig abgesetzt hat davon erfährt, eilt er trotz aller Gefahren nach Florenz. Wird er seine Geliebte vor dem Scheiterhaufen retten können?
Yarbro präsentiert uns ein großes Sittengemälde - Hass und Zerstörung fallen so viel leichter als Liebe und Schöpfung - so die Autorin im Buch, und diese betrübliche Wahrheit hat sie versiert und überzeugend in eine spannende Handlung verpackt.
Mit großer historischer Kenntnis lässt sie die damalige Zeit auferstehen, vermittelt uns sowohl die aufgeklärte Denkweise unter dem viel zu früh verstorbenen Laurenco di Medici, als auch die Angst, Verfolgung und das Denunziantentum unter der Herrschaft der Bluthunde Gottes.
Chelsea Quinn Yarbro legt in ihren Saint Germain Titeln großen Wert auf geschichtliche Accuratesse. Einen Schwerpunkt bilden daher auch immer Beschreibungen der Bauten, der Kunstwerke und der Kleidung der gehobenen Gesellschaftsschicht zur Zeit ihrer jeweiligen Handlung. Dies bemängeln manche Leser, andere sind gerade wegen dem fundierten Einblick, den die Autorin uns in die Vergangenheit gibt von den Romanen angetan. Auch in vorliegendem Roman stehen ihre Beschreibungen der Kunstwerke sowie deren Schöpfer mehr noch als im ersten Roman im Mittelpunkt. Sie verliert bei aller Zuneigung zu Kunst und Kultur jedoch nie ihre Handlung aus den Augen. Es geht ihr darum, die wachsende Zuneigung zwischen Saint Germain und der verarmten Adeligen darzustellen, die Auswirkungen des Todes Laurencos auf das intellektuelle Leben der Stadt zu beschreiben. Dabei bleiben dann die sonst typischen Handlungsinhalte gängiger Nosferatu-Romane weitestgehend außen vor. Saint Germain isst und trinkt nicht, er ernährt sich von Emotionen, doch wie die Nahrungsaufnahme abläuft, das ist fast schon unwichtig. Seine Einsamkeit, die aus seiner relativen Unsterblichkeit her rührt, seine Liebe zur Kunst und Kultur werden beschrieben, plakative Jagd nach seinem Lebenselexier würde nicht zum Gentleman passen. Insoweit sucht man hier bluttriefende Gewaltszenen oder actionreiche Jagden vergebens. In einem leisen, zurückhaltenden Stil gehalten sucht die Autorin erfolgreich uns ihren aufgeklärten Protagonisten nahezubringen und uns darüber hinaus einen Einblick in eine längst vergangene Zeit zu gewähren.