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Nix, Garth: Der Siebte Turm-Zyklus (Buch)
Der Siebte Turm-Zyklus
von Garth Nix
Übersetzung: Dominik Kuhn
Panini/Dino, 2001/2002 erschienen, je 8,95 EUR
Sturz in die Dunkelheit
(The Seventh Tower - Book 1: The Fall)
236 Seiten + Glossar, ISBN 3-89748-402-1
Mauern des Todes
(The Seventh Tower - Book 2: Castle)
241 Seiten + Glossar, ISBN 3-89748-403-X
Aenir - Reich der Schatten
(The Seventh Tower - Book 3: Aenir)
240 Seiten + Glossar, ISBN 3-89748-404-8
Jenseits der Grenze
(The Seventh Tower - Book 4: Above the Veil)
252 Seiten + Glossar, ISBN: 3-89748-406-6
Die Schlacht beginnt
(The Seventh Tower - Book 5: Into Battle)
234 Seiten + Glossar, ISBN 3-89748-554-0
Der violette Sonnenstein
(The Seventh Tower - Book 6: The Violet Keystone)
236 Seiten + Glossar, ISBN 3-89748-555-9
Von Frank Drehmel
Ein paar Worte vorweg: Auch wenn diese Rezension auf den ersten Blick sehr lang erscheint, so möge der Leser bedenken, dass sie sich auf sechs ganze Bücher bezieht. Selbst wenn die einzelnen Bände des Zyklus´ für sich genommen nicht sehr umfangreich sind, so bieten sie in toto doch soviel Stoff, dass sich auch in einer ungewohnt langen Inhaltszusammenfassung - wie der folgenden - nur die großen Handlungsbögen wiedergeben lassen und dem Interessierten noch zahllose liebenswerte Kleinigkeiten und Details zum Erschließen bleiben.
Seit vielen Jahrhunderten existiert als Folge eines grausamen Krieges eine mystische Barriere, der Schleier, welche die Welt der Dunkelheit und das Reich Aenir trennt, und die kein Sonnenlicht zu durchdringen vermag. Der Mittelpunkt der düsteren Lande unter dem Schleier ist der Berg des Lichts auf dessen Gipfel das Schloss der sieben Türme thront. Seine Bewohner, die so gut wie nichts von der Welt außerhalb der Mauern wissen, sondern sich selbst genug sind, erlangten aus der bloßen existenziellen Notwendigkeit heraus im Laufe der Zeit eine Meisterschaft in der Beherrschung der Licht- und Schattenmagie, welche sie mit Hilfe so genannter Sonnensteine wirken können.
In dem Gesellschaftssystem, das sich in dieser abgeschlossenen Welt herauskristallisiert hat, spiegelt sich die Bedeutung des Lichtes für die Menschen wieder. Es gibt sieben Orden, deren Namen sich aus der Farbe der Sonnensteine ableiten: Rot, Orange, Grün, Gelb, Blau, Indigo und Violett, wobei Rot der niedrigste Orden ist und Violett der höchste. Neben diesem Grundgerüst existiert zusätzlich eine komplizierte Abstufung in Ränge und Titel. Die Angehörigen der Orden bezeichnen sich selbst als Erwählte, in Abgrenzung zu den rechtlosen, versklavten Untervölklern, die für niedere oder gefährliche Arbeiten zuständig sind.
Die Stellung eines Individuums in diesem gesellschaftlichen Geflecht, an dessen Spitze die Imperatorin steht, wird grundsätzlich durch seine Geburt bestimmt. Allerdings besteht die Möglichkeit, sich durch besondere Leistungen für einen höheren Rang oder Orden zu qualifizieren oder in Folge von Verfehlungen abzusteigen. Dabei können ein Erwählter und seine Familie zwar ins Untervolk verstoßen werden, aber ein Untervölkler kann niemals (wieder) Mitglied eines Ordens werden.
Der augenfälligste Unterschied zwischen Erwählten und Sklaven besteht in ihren Schatten. Während letztere ihre natürlichen Schatten besitzen, haben die älteren Ordensanghörigen einen Geistschatten an sich gebunden. Über die Kinder, die noch zu klein für einen eigenen Geistschatten sind, wacht von Geburt an ein Schattenwächter. Beide Schattenarten sind ursprünglich aus Aenir stammende Lebewesen, die durch die Sonnensteinmagie in diese Art der Existenz gezwungen wurden und nun ihrem Meister dienen müssen. Um seinen endgültigen Geistschatten zu finden, muss jeder Erwählte, wenn er dreizehn Dreiviertel Jahre alt ist, am Tag des Aufstiegs in seinem Astralkörper den Schleier durchdringen, um in Aenir nach dem Wesen suchen, das er gerade noch bezwingen kann, denn je mächtiger der Schatten, desto angesehener sein Herr, wobei neben den Fähigkeiten des Magiers die Stärke des Sonnensteins entscheidend ist. Und hier beginnt unsere Geschichte.
Kurz vor dem Beginn seines neuen Lebensabschnitts erhält der junge Tal überraschend eine schrecklich Nachricht: sein Mutter, Graile, liegt auf Grund einer schweren Krankheit im Sterben und sein Vater Rerem, ein “Oranger”, ist zusammen mit dem Erhabenen Sonnenstein der Familie während eines geheimen Auftrags für die Imperatorin verschwunden. Ohne diesen starken Stein aber wird Tal nicht in der Lage sein, einen Geistschatten an sich zu binden, um dann an Stelle seines Vaters für die sieche Mutter und seine beiden kleineren Geschwister zu sorgen.
Alle Versuche, einen neuen Erhabenen Sonnenstein zu erlangen, scheitern, werden von einer unbekannten Macht, deren Arm der sinistere Erwählte Sushin zu sein scheint, torpediert. In seiner Verzweiflung fasst Tal den Plan, außen am roten Turm in den Bereich empor zu klettern, in dem in riesigen Netzen die Sonnensteine “wachsen”. Bevor er jedoch die Spitze des Gebäudes erreichen kann vereitelt ein unbekannter, mächtiger Schatten sein Vorhaben und Tal stürzt in die Tiefe. Getragen von starken Winden und seinem Schattenwächter wird er weit vom Schloss fortgetrieben, in ein Land, das keine Erwählter in den letzten Jahrhunderten betreten hat.
Am Fuße des Bergs des Lichts liegen riesige Eiswüsten, auf denen die Clans der Eiscarls Jahr um Jahr auf der Suche nach Nahrung und Kleidung auf Knochenschiffen den Zügen mächtiger Kreaturen folgen. Die Existenz in diesen eisigen Gegenden ist ein ewiger, gnadenloser Kampf ums Überleben, um Licht und um Wärme, geprägt von Mitleidslosigkeit einerseits und starkem Ehrgefühl andererseits. Während die Erwählten längst die Erinnerung an ihre Brüder verloren haben, lebt in den Sagen der Eiscarls die gemeinsame Vergangenheit fort; und diese Vergangenheit ist vor allem geprägt durch den Kampf gegen die Kreaturen und Schatten aus Aenir.
Als Mitglieder des Clans der Far-Raider den geschwächten Tal finden, erkennen sie sofort in ihm einen “Schattenträger” und wollen ihn deshalb töten. Doch das Eingreifen der Cronen des Clans, jenen Frauen mit seltsamen magischen Fähigkeiten und leuchtenden, blauen Augen, rettet vorerst Tals Leben. Da der Sonnenstein der Far-Raider im Laufe der Jahrhunderte immer schwächer wurde und nun zu versagen droht, gelingt es Tal, sein Leben gegen ein Versprechen zu erkaufen: Wenn man ihn laufen ließe, würde er einen Erhabenen Sonnenstein aus dem Schloss der sieben Türme besorgen. Die Cronen erklären sich mit dem Handel einverstanden, geben ihm jedoch als Begleiterin und als Schutz die aufbrausende, junge Milla mit auf die Reise, wobei sie die beiden Jugendlichen durch ein magisches Ritual und einen Bluteid aneinander binden.
Der Weg ins Schloss erweist sich als äußerst gefährlich. In ihrem gemeinsamen Ringen mit den Gefahren finden Milla und Tal allmählich Vertrauen zueinander; dennoch sind die Probleme unübersehbar. Zunächst müssen sie zwei Sonnensteine finden - einen für Tals Aufstieg, einen für die Far Raider -, dann muss Tal seinen Bruder Gref, der mittlerweile von Sushin gefangen genommen wurde befreien, die Mutter retten und seinen Vater, an dessen Tod er nicht glauben will, suchen. Glücklicherweise findet er bei seinem schrulligen Onkel Ebbitt, den auch ein Geheimnis zu umgeben scheint, tatkräftige Unterstützung. Der alte Man empfiehlt dem jungen Erwählten, mittels eines kleinen Sonnensteins nach Aenir zu reisen, um dort nach einem verschwundene Artefakt, dem Kodex, zu suchen, der jede von Tals Fragen - u.a. auch die nach dem geheimnisvollen Wächter des roten Turms und dem Schicksal seines Vaters - beantworten kann.
Also reisen Milla und er in das Reich der Schatten. Doch diese Entscheidung erweist sich als fataler Fehler, denn durch einen Zufall ist Tal gezwungen, zwei Sturmhirten an sich und seine Gefährtin zu binden: an Milla die schlaue Odris, an sich selbst den etwas tumben, dafür aber starken Adras. Auch wenn die zwei Wesen freundlich sind, so bedeutet es für Milla das Aus aller ihre Träume, denn als Schattenträgerin wird sie von den Clans geächtet werden, sodass ihr am Ende nur der Selbstmord bliebe. Lediglich der Eid hindert sie daran, Tal auf der Stelle zu töten.
Zurück im Schloss vermögen die beiden trotz der latenten Feindschaft, nach und nach Licht die rätselhaften Vorgänge zu bringen und sie erkennen, dass ihrer beider Welt die Vernichtung droht, sollte es ihnen nicht gelingen, die Pläne der Gegenseite zu durchkreuzen. Milla kehrt trotz ihres schattenhaften Makels zurück zu den Eiscarls, um den Cronen die schlechten Nachrichten zu überbringen und -falls man sie nicht tötet- die Krieger der Clans in das Schloss zu führen. Währenddessen sucht Tal im Untervolk Verbündete für den bevorstehenden Kampf. Doch lediglich ein kleine Gruppe Revolutionäre, die sich selbst Freivolk nennt, ist bereit, sich ihm anzuschließen, wobei sie Tal auf Grund seiner Herkunft und der Gräueltaten, die ihrem Volk von den Erwählten angetan wurden, eher feindselig gegenüber steht. Da aber Sushin seine Maske fallen lässt und mordend durch die Kammern des Schlosses zieht mit dem Ziel, den Schleier zu zerstören, bleibt den Aufständischen keine Wahl: sie müssen den Krieg in die sieben Türme tragen.
Wie schon der 8-bändige “Deltora Quest”-Zyklus oder die “Bücher der Magie”-Reihe erscheint auch die Geschichte des jungen Tal im Segment der Jugend-Fantasy Romane des Panini/Dino-Verlags und zielt damit primär auf jüngere Leser. Im Unterschied zu den beiden erst genannten Serien merkt man dem “Der siebte Turm”-Zyklus diese Ausrichtung deutlich an.
Bis auf den ersten Band ist die Geschichte sehr linear erzählt, wobei der Leser immer auf Augenhöhe einer der beiden zentralen Charaktere ist, die Sprache ist recht einfach, Logik ist weniger wichtig als Handeln und die Nebencharaktere kommen eher eindimensional daher. Wirklich interessante gesellschaftspolitische oder philosophische Sachverhalte -z.B. die Sklavenhaltergesellschaft der Erwählten, der “Blut & Ehre”-Kodex der Eiscarls- werden, wenn überhaupt, nur tangiert und auf ein für Kinder verständliches simples Gut-Böse-Schema reduziert.
Dass dennoch auch erwachsene Leser auf ihre Kosten kommen können, liegt in erster Linie an einigen skurrilen Ideen, die besonders die Aenir-Episoden prägen, und dem originellen Magiesystem, welches aber durchaus eine weitere Vertiefung hätte vertragen können. Darüber hinaus sind Tal und Milla recht vielschichtige Charaktere, die im Laufe der Geschichte eine plausible Entwicklung durchmachen und sich hervorragend als Identifikationsfiguren von jüngeren Lesern eignen. Gerade in diesen beiden Figuren, ihrer wechselhaften Beziehung, die zwar nie alle Tiefen des menschlichen Miteinanders auslotet, aber doch voller knisternder Spannung ist, ihrer anfänglichen Hilflosigkeit in einer Welt der Erwachsenen zeigt Nix sein Können als Jugendbuchautor.
Als unvorteilhaft - jedenfalls aus Sicht des erfahrenen Lesers - erweist sich hingegen das Bestreben des Autors, jedes Kapitel mit einem mehr oder weniger großen Cliffhanger enden zu lassen. Dieses sehr bemüht wirkende Erzeugen vordergründiger Spannung nervt auf Dauer mehr, als dass es zum Weiterlesen animiert, vor allem, weil es vollkommen überflüssig ist, da der zentrale Spannungsbogen zumindest bis einschließlich des dritten Bandes auch ohne diese Mätzchen stetig ansteigt. Ein Grund für diese sehr filmisch anmutende Vorgehensweise mag darin liegen, dass die Bücher im Original von Lukasfilm Ltd. verlegt und -glaubt man de m Covertext- von George Lukas höchstselbst wohlwollend abgesegnet wurden.
Zum Schluss noch einige Anmerkungen zur Aufmachung der Bücher: auch dieser Zyklus zeigt die für die Fantasy-Jugendromane des Verlags übliche äußerst ansprechende, liebevolle Covergestaltung, die sich von der eher durchschnittlichen der englischen Originale positiv unterscheidet. Bedauerlicherweise kann über das “großzügige” Seitenlayout zwischen den Buchdeckeln ähnlich Erfreuliches nicht vermeldet werden. Bei nur 24 Zeilen pro Seite, einer großen Schrift, einem aufgeblähten Glossar und ganzer Leerseiten am Ende einiger Kapitel wird zweifellos mehr als nur einem Leser der Begriff “Mogelpackung” in den Sinn kommen. Dennoch: wenn man die Kosten eines Kinobesuchs dem Buchpreis gegenüberstellt, bleibt selbst diese Mogelpackung eine gute Wahl.
Fazit: Spannende, gut geschriebene Jugendfantasy mit einigen interessanten und originellen Ideen, die aber auf Grund ihrer recht einfachen Struktur Erwachsenen nur bedingt zu empfehlen ist.
hinzugefügt: October 24th 2005 Tester: Frank Drehmel Punkte: zugehöriger Link: Dino Hits: 4196 Sprache:
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