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Jeschke, Wolfgang: Der letzte Tag der Schöpfung (Buch)
Wolfgang Jeschke
Der Letzte Tag der Schöpfung
Heyne, 2005, Taschenbuch, 316 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 3-453-52121-8
Von Gunther Barnewald
Eine überarbeitet Neuausgabe des 1981 bei Nymphenburger als Hardcover erschienen Romans, der 1985 auch als Heyne Taschenbuch 06/4200 erschien (Neuauflage 1993) und nahezu selbstverständlich den Kurd-Laßwitz-Preis erhielt, legt Heyne nun im Jahr 2005 wieder auf.
Bezüglich der historischen Geschehnisse, die inzwischen stattgefunden haben, ist diese Neuauflage fast ein Muss. Denn während der Terror durch islamistische Fundamentalisten in die nächste Runde geht und der Ölpreis steigt und steigt, wird eine reale Zeitreise in die Vergangenheit, um den Arabern das Erdöl wegzupumpen, immer mehr zur genialen Idee. Fast schon Satire in Reinkultur ist das, was Jeschke hier Ende der 70er hier zusammen phantasiert hat.
Und so reisen beherzte Protagonisten des US-amerikanischen Militärs in die Vergangenheit um diese Idee umzusetzen, nur um festzustellen, dass a) die Araber längst mit russischer Hilfe eine Gegenstreitmacht von Söldnern losgeschickt haben, die sich erbitterte Kämpfe mit dem Amerikanern liefern und b) es keine Rückkehr zum Ausgangspunkt der Reise gibt, denn durch den Eingriff in wichtige historische Knotenpunkte der Menschheit verändert sich die Geschichte ständig.
Zudem war die Zeitreisetechnik völlig unausgereift. So trifft der Protagonist, ein leider farbloser und langweiliger Soldat, dessen Charakter so flach ist wie die berühmte Briefmarke, auf Menschen, die völlig andere Erinnerungen an die Historie der letzten Jahrhunderte haben.
Die mangelhafte Ausarbeitung der Personen ist neben der etwas zu sensationellen und daher unglaubwürdig wirkenden Handlung der letzten ca. 100 Seiten aber auch das einzige Manko einer ansonsten mitreißenden Story.
Bewundernswert wie der Autor es zu Beginn des Romans schafft, die Spannung beim Leser aufzubauen, obwohl erst mehr als 50 Seiten vergehen, bis die eigentliche Handlung einsetzt. Die Schilderung der Funde moderner Artefakte aus vergangenen Zeiten gerät jedoch dermaßen fesselnd, dass man wirklich nur den Atem anhalten kann.
Zwischenzeitlich zeigt Jeschke zudem, dass er, im Gegensatz zu vielen Autoren, die Zeitreisegeschichten verzapfen, ohne Ahnung vom Genre der Sciencefiction zu haben, und deshalb grauenhafte Fehler begehen (schlimmstes Beispiel ist zweifellos die unsägliche Serie um Justin Time aus dem ansonsten renommierten Loewe Verlag), dass er seinen Lafferty ebenso kennt wie andere prominente Vorbilder des Genres.
Davon lebt auch der zweite Teil der Geschichte, in der deutlich wird, welche alternativen Historien entstanden sind durch die Eingriffe von Zeitreisenden (was gegen Ende der Erzählung nochmals aufgegriffen wird).
Im letzten Drittel des Buchs überschlagen sich jedoch die Ereignisse, es wird sehr turbulent und man weiß als Leser manchmal nicht mehr, über welche unmögliche Wendung man mehr den Kopf schütteln soll.
Trotzdem ist "Der letzte Tag der Schöpfung" ein toller SF-Roman, packend, unterhaltsam und anregend, trotz der inzwischen vergangenen Zeit, zu der er zu Beginn spielt, nämlich der des Kalten Krieges. Aber wer sagt denn, dass die Handlung in unserer Realität spielt? Oder dass nicht durch diverse Zeitkorrekturen erst unsere Realität entstanden ist, so wie dies z. B. in John Brunners "Times Without Number" (dt. als "Zeiten ohne Zahl") oder Kingsley Amis "The Alteration" (dt. als "Die Verwandlung") der Plot ist?
Deshalb ist das vorliegende Werk immer aktuell, so lange Erdöl noch die wichtige Rolle spielt, wie dies in der Gegenwart der Fall ist. Und wahrscheinlich auch darüber hinaus, denn menschliche Ignoranz und Dummheit sind wohl universell, und deshalb auch der bedenkenlose Einsatz unerprobter Technik und das bedingungslose Verheizen von Menschenleben. Auch diesen Wahnsinn fängt das Buch großartig ein.
hinzugefügt: November 19th 2005 Tester: Gunther Barnewald Punkte: zugehöriger Link: Heyne Verlag Hits: 3762 Sprache:
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