H.G. Wells’ The War of the Worlds
SF-Film von Timothy Hines, USA 2005, 179 Minuten.
Mit Anthony Piana, Jack Clay, Darlene Renee Sellers u.a.
Import-DVD (Sterling/USA), Ton: Englisch 2.0, Bild: 1,78:1 anamorph.
H.G. Wells berühmten Roman von 1898, in welchem bösartige Marsianer sich daran machen, mithilfe gigantischer, spinnenartiger Kriegsmaschinen die Menschheit auszulöschen und in letzter Minute von einem unerwarteten Verbündeten besiegt werden, erfuhr nach dem Kinofilm von 1953 und der TV-Serie von 1988 im Jahr 2005 gleich drei Filmadaptionen: Neben dem immens teuren Spielberg-Film fürs Kino mit Tom Cruise entstanden auch zwei kleine Produktionen, die in den USA direkt auf DVD erschienen. Dies ist die Besprechung der einen Video-Produktion, eine Videopremiere der Firma Pendragon, die sich von der anderen Videoproduktion durch ein „the“ mehr im Titel unterscheidet und doppelt so lang ist.
Orson Welles war ein Autodidakt und ein filmisches Genie. Neben dem berühmtesten Hörspiel der Radio-Geschichte, einer Bearbeitung von H.G. Wells’ „The War of the Worlds“ drehte er, völlig ohne Einfluss von außen, mit „Citizen Kane“ eines der Meisterwerke des Films. Später litt er sehr darunter, dass immer wieder von Produzentenseite in seine Filme eingegriffen wurde.
Timothy Hines, Regisseur des hier zu besprechenden „H.G. Wells’ The War of the Worlds“ ist ebenfalls Autodidakt und, das steht fest, alles andere als ein filmisches Genie. Völlig ohne Einfluss von außen und ohne Eingriffe von Produzentenseite konnte er diesen Film drehen – und lässt das Publikum leiden.
Dabei klang das zugrundeliegende Konzept wirklich vielversprechend; wenn auf dem Backcover steht, dass Fans klassischer SF-Filme diesen Film lieben werden, kann sich das nur auf das Konzept beziehen, das erstmals die Handlung von Wells’ berühmten Roman zu seiner Originalzeit 1898 und in England spielen lässt und der möglichst nah an der literarischen Vorlage angelehnt ist. Und, tatsächlich: Große Teile des Romans finden sich in diesem Film wieder und es hat durchaus einen Reiz, die marsianische Invasion mal nicht in den USA der Jetztzeit zu erleben (wofür sich die beiden Hollywood-Adaptionen von 1953 und 2005 entschieden hatten), sondern eingebettet in das England um die vorletzte Jahrhundertwende. Leider wird das schöne Konzept durch eine filmische Umsetzung zunichte gemacht, die an Dilettantismus und Amateurhaftigkeit ihresgleichen sucht und nur noch schwer mit filmischen Bewertungskriterien zu fassen ist. Das völlige Scheitern zieht sich durch sämtliche Aspekte des Films.
Der Reihe nach: Der offensichtlichste Aspekt ist natürlich das ersichtlich winzige Budget. Es gehört schon etwas Tollkühnheit dazu, mit einem Nichts an Finanzmitteln ausgerechnet den „Krieg der Welten“ verfilmen zu wollen und das Dilemma, die aufwändigen Effekt-Szenen realisieren zu müssen, wenn man kein Spielberg-Budget zur Verfügung hat, kann man auf zweierlei Art lösen. Entweder man zeigt möglichst wenig Effekt-Szenen und versteckt diese in viel Dunkelheit, weiten Einstellungen und schnellen Schnitten. Dafür hat sich die parallel erschienene, kleine Wells-Verfilmung für den DVD-Markt entschieden, oder, und diesen Weg ging der Regisseur dieser Adaption, man pfeift darauf, ob die Bilder überzeugend aussehen. Ähnlich wie bei „Sky Captain and the world of tomorrow“, „Immortal“ oder „Casshern“ entstanden fast sämtliche Hintergründe und alle Effekte am Computer, aber noch in keinem Film sahen sie so schlecht aus wie hier. Was Hines dem Zuschauer an Bilderwelten anbietet, sieht aus wie Zwischensequenzen in Computerspielen vor 10-15 Jahren, oder wie noch völlig unfertige Effekt-Shots im Anfangsstadium. Stadtansichten, Tiere, Marsianer, Raumschiffe, zusammenbrechende Häuser, Kriegsmaschinen, Hintergründe und Schiffe sehen in einer Weise unfertig und undetailliert aus, dass man glauben könnte, dass aus Versehen eine noch völlig unfertige Version des Films aus Versehen auf den Silberling gebrannt wurde. Das Resultat als lächerlich zu bezeichnen, wäre noch geschmeichelt. Schade daran ist, dass so das Versetzen in die Welt des Romans natürlich nicht mal entfernt gelingt und man u.a. in den London-Szenen nie glauben kann, Menschen im London des Jahres 1898 zu sehen, sondern eher schlecht eingestanzte Schauspieler in einem Computerspiel von 1992.
Über wenig überzeugende Effekte kann man aber noch hinwegsehen, wenn diese inszenatorisch geschickt kaschiert sind oder die Geschichte so spannend erzählt wird, dass man sich gerne ablenken lässt. Aber da fangen die Probleme des Films erst an, denn der als Regisseur, Co-Autor, Cutter und Kameramann in Personalunion auftretende Timothy Hines hat von keiner dieser Disziplinen auch nur den blassesten Schimmer einer Ahnung oder ein Gespür für irgend etwas.
Der groteskeste Ausfluss der unendlich vielen Fehlentscheidungen dieses Filmemachers wird einigen Lesern vielleicht schon im Kopf dieser Rezensionen aufgefallen sein und für ein Zusammenzucken gesorgt haben: Hines besaß tatsächlich die Chuzpe, seinen Zuschauern einen Film von fast drei Stunden Länge zuzumuten. Bei so einer Laufzeit denken einige vielleicht zunächst an eine TV-Miniserie, dies ist hier aber nicht der Fall. Der Regisseur und Cutter dieser DVD-Premiere konnte sich offensichtlich schlicht von keiner einzigen Szene trennen und so ist die lange Laufzeit des Films mitnichten darin begründet, dass möglichst viele Szenen aus dem Roman in das Medium Film gerettet werden sollten, sondern liegt vielmehr daran, dass man als Zuschauer mit einer ärgerlich machenden Unzahl von Szenen konfrontiert wird, die danach betteln, ja danach schreien, aus dem Film entfernt zu werden. Szenen, die keinen Sinn, keinen Anfang und kein Ende haben, insbesondere irritierend viele Übergangsszenen. Wohl in kaum einem anderen Film rennen so viele Menschen sinnlos durch einen Wald, oder reiten in einer Kutsche von X nach Y. Einige Dialogszenen sind absurd lang und besonders ‚schön’ sind viele Szenen, deren Sinn sich einfach nicht erschließt, wie z.B. die, wo sich die Protagonisten sinn- und zwecklos stumm an einem Esstisch ansehen. Volle vier Minuten lang. Da wurde offensichtlich einfach der Rohschnitt auf die DVD gepresst. Während ein normaler Filmemacher sich nach Sichtung des Rohschnitts erst an die Arbeit macht, muss sich Hines gedacht haben: „Passt so!“ Aber nicht nur die Länge vieler Szenen ist ein Problem. Die Inszenierung, die Platzierung der Kamera, die Montage, nichts passt da zusammen und fast jede Minute der langen drei Stunden muss man den Sinn gewisser Szenen enträtseln, die so inkompetent inszeniert sind, dass man nicht genau versteht, was der Filmemacher damit sagen wollte oder ärgert sich über schlechte Anschlüsse, die fast jede Szene zerstören. Noch schlimmer ist es darum bestellt, wie der Regisseur die unzähligen Effekte einzuarbeiten versteht. Die Art, wie die Schauspieler mangels Führung und präziser Planung auf viele der Effekt-Szenen reagieren, treibt einem häufig die Lachtränen in die Augen und das schönste an dem Film ist die Verwendung von Kutschen: Da offensichtlich so gut wie keine Pferde zur Verfügung standen, es aber viele Szenen mit Kutschen gibt, muss der Regisseur immer die (nicht vorhandenen) Pferde außerhalb des Bildkaders halten, was er aber so dilettantisch tut, dass es erst recht Aufmerksamkeit auf sich zieht und man ständig in Lachanfälle über die von Geisterhand gezogenen und grotesk wackelnden Kutschen ausbricht.
Weniger lustig ist der ständige Einsatz von Farbfiltern, der ganze Film ist mit wenigen Ausnahmen mit einem goldgelben Schleier überzogen, was wohl die damalige Ära beschwören soll, und sieht dadurch bemerkenswert hässlich aus. Höchst ärgerlich auch der Soundtrack, eine ungenießbare Musiksauce, die über die ganze Laufzeit niemals schweigt. In all diese „Bestleistungen“ fügt sich auch die Schauspieler ein, die mit offensichtlich mies abgelesenen, schlecht geschriebenen Dialogen und keinerlei mimischen Talent dem Film dann den Rest geben, allen voran Hauptdarsteller Anthony Piana in einer Doppelrolle und mit einem so verblüffend unechten Schnauzbart, der ständig unfreiwillig die Aufmerksamkeit in Close-Ups auf sich zieht.
In diesem Reigen der Inkompetenz will einfach nichts zusammenpassen und über eine erdrückende Laufzeit von langen drei Stunden nutzt sich der unfreiwillige Humor auch für Trash-Fans schnell ab und man kann man sich auch irgendwann nicht mehr über die zahlreichen Action-Szenen und die zumindest hübschen Kostüme freuen – und fühlt sich betrogen.
Fazit: Epische, grotesk lange Verfilmung von H.G.Wells berühmten Roman, deren begrüßenswertes Konzept, den Stoff im Jahr 1898 anzusiedeln und sich eng an das Buch zu halten, durch ein in dieser Form selten anzutreffendes Maß an filmischer Inkompetenz und Dilettantismus völlig zunichte gemacht wird.
Punkte: 2/10.
Zur DVD: Die hässlichen Bilder werden durch einen soften Transfer nicht unbedingt schöner und ein DD 2.0-Ton ist für eine Produktion von 2005 auch nicht unbedingt angemessen. An Extras gibt es nur einen Trailer und Texttafeln über H.G. Wells.