Rascard
Herold - Rückkehr der Rechtschaffenen
Titel- und Innenillustrationen Oliver Wetter
Perico Verlag, 2005, Paperback, 550 Seiten, 14,50 EUR, ISBN 3-938917-00-8
Von Carsten Kuhr
Gut eineinhalb Jahre hat es gedauert, bis der zweite Teil von "Herold" erschienen ist. Rein äußerlich präsentiert sich das Buch, trotz Wechsel der Druckerei, wiederum in einer qualitativ vorzüglichen Ausstattung. Das großformatige Paperback überzeugt durch einen sauberen Druck, der Text wurde sorgfältig redigiert, Kapitelvignetten und Innenillustrationen sowie eine eingeklebte, farbige Faltkarte tragen dazu bei, dass der Leser viel Buch für seinen Obolus erhält. Zwar fiel der Satzspiegel ein wenig arg klein aus, dafür aber erhält man viel Text fürs Geld.
Im ersten Band hat Rascard seine Grundlagen gelegt. Angeführt vom Herold, der von der "enen schwarzen Göttin"mit dämonischen Kräften ausgestattet wurde, machen sich die Verfemten daran, die Welt zu erobern. Waren sie früher Marodeure, Mörder, Vergewaltiger und Banditen, jetzt kämpfen sie voller Überzeugung und Hingabe für den Machtanspruch ihrer dunklen Göttin. Elfen und Zwerge haben sich dem erfolgreichen Heer der Verfemten angeschlossen - nur wenige aufrechte Recken stellen sich der drohenden Niederlage entgegen.
Im ersten Band hat uns der Autor die Parteien vorgestellt, seine Protagonisten und Antagonisten eingeführt und uns mit den Orten der Handlung bekannt gemacht. In vorliegendem Buch nun geht es ganz um den Konflikt selbst.
Die Verfemten greifen die wenigen Königreiche, die sich ihnen in den Weg stellen, zusammen mit ihren Verbündeten an. Rascard berichtet uns von heldenhaften Taten, erfolgreichen aber auch erfolglosen Kommandounternehmen, Belagerungen, Duellen und Niederlagen. Festungen werden erobert und geschliffen, unschuldige Menschen gefoltert, Stadtmauern gesprengt. Viele Kämpfer auf beiden Seiten sterben in den Schlachten- und Kampfbeschreibungen die dieses Buch dominieren, bevor es in einem grandiosen Showdown um das Schicksal der Welt geht.
Das Buch beginnt mit Seite 505. Das ist ungewöhnlich, zeigt aber, dass sich die Macher etwas überlegt haben. So stellt vorliegender Roman nicht etwa ein eigenständiges Werk dar, sondern wirklich nur den zweiten Teil eines durchgängigen Romans. Die Handlung setzt ohne Verzögerung direkt an dem Schluss des ersten Bandes ein, eine Rückblende oder Zusammenfassung der Vorgänge des ersten Buches sucht man vergebens. Wer also nur den zweiten Band kauft, der wird mit dem Werk leider nichts anfangen können.
Rascard legt einen rasanten, kurzweilig zu lesenden Sword & Sorcery Text vor. Stilistisch gegenüber dem ersten Band gereift, obwohl es manchmal, insbesondere bei den Dialogen noch ein wenig holpert, breitet er seinen durchgängigen Spannungsbogen in alternierenden Handlungsebenen vor dem Leser aus. Dabei beschränkt er sich allerdings im wesentlichen auf eine schwarz-weiß Zeichnung seiner Gestalten. Gehören sie den Verfemten an, so haben sie sich gänzlich den dunklen Mächten verschrieben, deren Gegner stehen treu und aufrecht bis in den Tod zueinander. Hier hätte ich mir ein wenig mehr Zwischentöne gewünscht. Die Lektüre ist nie langweilig oder langatmig, die beschriebene Welt, obzwar im Bereich des Üblichen angesiedelt, überzeugend und vielschichtig ausgearbeitet.
Rückblickend gesehen ist der Roman eindeutig zu lang geraten. Zu viele Schauplätze wurde eröffnet, zu viele Verwicklungen galt es für unsere Helden zu bewältigen, ehe sie sich mit ihrer eigentlichen Queste auseinandersetzen konnten. Zwar führt dies dazu, dass der Autor uns seine Personen wahrhaft umfassend portraitieren kann, letztlich erdrückt er seinen Leser aber mit zu ausufernden Beschreibungen. Auch vermisst man die eindeutige Identifikationsfigur. Hätte er sein gut eintausend Seiten umfassendes Werk um 300 Seiten gekürzt, es hätte der Handlungsfluss gut getan, und seiner Erzählfreude nicht geschadet.
Insgesamt aber legt Rascard eine talentierte Version einer tolkienesquen Fantasy-Saga auf, die für den Leser viele vergnügliche Stunden bereit hält.