Rensmann, Nicole: Anam Cara - Seelenfreund (Buch)

Nicole Rensmann
Anam Cara - Seelenfreund
Atlantis-Verlag, Paperback, 178 Seiten, 11,90 EUR, ISBN 3-93642-43-X

Der Atlantis-Verlag hatte sich bisher einen Namen gemacht als Herausgeber diverser Serien aus fast allen Bereichen der Phantastik.
Seit einiger Zeit pflegt Verleger Guido Latz aber auch eine allgemeine Reihe mit Einzel-Romanen, in denen sehr unterschiedliche Titel auftauchen: Nach einem aktionsreichen Fantasy-Roman namens "Tag der Offenbarung" von Martin Kay und einer Serienkillerstory von Stefan Pinternagel mit dem Titel "Fragmente" entschied sich der Verlag nun, den Roman "Anam Cara - Seelenfreund" zu veröffentlichen, ein...ja, was? Der Roman ist schwierig zu klassifizieren.

Fangen wir mit der Geschichte an. Es geht im Kern um Seelenwanderung und so bekommen wir kurze Vignetten aus verschiedenen Zeitepochen präsentiert, bis sich die Handlung auf zwei Personen konzentriert: Sina, die ihren Ehemann Thomas bei einem tragischen Autounfall verloren hat und darüber nicht hinwegkommt und Tom, der 28 Jahre in der Zukunft von Sina lebt und auf rätselhafte Weise per Mail Kontakt mit ihr aufnehmen kann und sich in sie verliebt; da er in der Zukunft lebt, erfährt er, dass sie sich in tödlicher Gefahr befindet. Verzweifelt versucht er, einen Weg zu finden, ihr zu helfen....

Soweit zur Geschichte, wir wollten den Roman ja aber noch klassifizieren. Eine eindeutige Zuweisung muss hier misslingen, dafür oszilliert der Roman zu sehr zwischen verschiedenen Genres. Es beginnt als Fantasy, wechselt hinüber zu einem Zeitreise-Teil, der SF ist, wechselt zu einem allgemeinen Phantastik-Roman um Schicksalhaftigkeit und mündet in einem Psycho-Thriller. Klingt kompliziert? Ist es bei der Lektüre aber nicht, eine der Stärken des Bandes ist, dass man nie genau weiss, wo einen die Reise hinführt.

Nach einigen Erzählungen, einem kurzen Roman um Kindesmißbrauch und einem größeren Engagement im sekundärliterarischen Bereich (insbesondere die US-Autoren Stephen King und Dean Koontz betreffend) legt die Autorin Nicole Rensmann hiermit ihren ersten Phantastik-Roman vor und das Debüt ist als gelungen zu bezeichnen.

Zum Gelingen trägt im wesentlichen bei, dass es die Autorin vermag, auf dem sehr begrenzten Raum von gerade mal 177 Seiten viel Sympathie für ihre beiden Hauptfiguren aufzubauen, so dass der Leser die Seiten automatisch und schnell umblättert, weil er wissen möchte, was mit ihnen geschieht.
Gerade der tragische Verlust des Ehemanns der Hauptperson am Anfang durch einen Autounfall ist von bedrückender Intensität und selbst der sich für abgebrüht haltende Verfasser dieser Zeilen muss gestehen, dass er da eine Träne nicht ganz verdrücken konnte.

Der Band ist in drei Teile gegliedert, einen Auftakt, der sehr viele Vignetten aus allen möglichen Zeitepochen schildert, dann ein Mittelteil, wo sich die Handlung auf die beiden Hauptpersonen Sina und Tom zu konzentrieren beginnt und der Schluss, in welchem dann die Thriller-Elemente überwiegen. Am gelungensten wirkt hier der zweite Teil, in welchem sich Sina und Tom durch E-Mails näher kennen lernen, den ein intensiver Hauch von Melancholie und Schicksalhaftigkeit durchweht.
Auch die anderen Teile sind keineswegs schlecht, im ersten Teil wird aber arg viel gesprungen und im letzten Teil ist man doch etwas überrascht, dass vieles einer "normale" Thriller-Auflösung zugeführt wird, die, das sei auch zugegeben, dafür aber das Tempo ordentlich anzieht, dem Roman ist da durchaus eine gewisse Sogwirkung zuzusprechen, denn man bangt ernsthaft um das Schicksal der Protagonisten.

Trotz des engen Raums fallen auch die Nebenfiguren positiv ins Auge, insbesondere Sinas Vater und Toms Freund Luca sind gut geschildert, nur Toms Arbeitskollegin Maria kommt arg eindimensional als Vamp daher.
Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass man sich jederzeit, trotz einiger Zeitsprünge und trotz des recht großen Figurenarsenals, in der Handlung zurecht findet.

Positiv fällt ebenfalls auf, dass die Autorin von einem starken Stilwillen beseelt ist und man dem Text deutlich anmerkt, dass sich da jemand nicht nur Gedanken darüber gemacht hat, was sie schreibt, sondern auch wie man etwas schreibt. Wer viele Bücher von Kleinverlagen rezensiert, lernt das durchaus zu schätzen.
Dabei gelingt der Autorin eine flüssige, gut zu lesende und schöne Prosa mit fast immer sicherer Metaphernwahl, nur an einigen wenigen Stellen drängen sich diese etwas zu sehr in den Vordergrund, wie z.B. die Kugeln in der Schlusszene.

Nicht leugnen kann die Autorin, dass sie sich ausführlich mit den beiden Autoren Stephen King und Dean Koontz beschäftigt hat und so bekommt jeder dieser Autoren an einer Stelle seine stilistische Hommage: King am Anfang mit der für ihn typischen wiederholten leitmotivischen Erwähnung eines Bildes (die Fliege bei dem Autounfall) und Koontz mit einer Stakkato-Dialog-Passage auf Seite 70.
Ferner durchziehen den Band ferne Echos zweier Werke dieser Autoren, das Schicksalsmotiv aus Kings "Schlaflos - Insomnia" und das Zeitreisemotiv inklusive Zurechtrücken der Zustände aus Koontz' "(Der) Schutzengel".

Insgesamt also ein fesselnder, gut geschriebener kurzer Roman, der einen teilweise auf faszinierende Weise im unklaren lässt, wo die Reise hingeht, bevor er dann doch sichere Zuflucht in zwar durchaus spannenden, aber letztlich doch konventionellen Thriller-Bahnen sucht.

Aufgrund der vielen Zeitebenen und des großen Figurenarsenals hätten andere Autoren aus dem Stoff vielleicht einen 800 Seiten-Ziegelstein gemacht, ob mit mehr oder weniger Erfolg, vermag man nicht zu sagen; in jedem Fall sei der Autorin für ihren nächsten Roman der Mut gewünscht, sich ruhig mal an einen längeren Text ranzutrauen, den erzählerischen Atem dafür dürfte sie haben.

hinzugefügt: July 14th 2004
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