Morgan, Richard: Heiliger Zorn (Buch)

Richard Morgan
Heiliger Zorn
(Woken Furies)
Aus dem Englischen übersetzt von Bernhard Kempen
Titelillustration: Chris Moore
Heyne, 2006, Taschenbuch, 682 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 3-453-52130-7

Von Carsten Kuhr

Takeshi Kovaks, unser aus den Romanen "Das Unsterblichkeitsprogramm" und »Gefallene Engel" bekannter Protagonist, kehrt nach Jahrzehnten endlich auf seine Heimatwelt zurück. In einen synthetischen Körper gesleevt befindet er sich aus einem zunächst nicht näher erklärten Grund auf einer blutigen Vendetta gegen die örtlichen "Priester der neuen Offenbarung". Pech, schlechtes Timing und Zufall führen dazu, dass er sich neben den Gesetzeshütern mit der Yakuza und den Harlans Welt beherrschenden Familien anlegt. Seine Flucht führt ihn zunächst nach New Hok – einer Gegend in der intelligente Maschinen die Kontrolle übernommen haben – sehr zum Leidwesen der mit den Aufräumarbeiten beauftragten Menschen. Doch nicht genug, dass zielgerichtete Maschinen ihn jagen, irgendjemand wirklich Mächtigem muss sein endgültiges Ableben sehr wichtig sein. Eine jüngeres Version seiner selbst, die es eigentlich gar nicht geben dürfte wird in einen luxuriösen Söldnerkörper geladen und macht sich auf die Jagd nach ihrem alten Selbst. Da ist es dann fast schon zu erwarten, dass sich alte Freunde als Verräter entpuppen, dass Quellcrist Falconer, die Freiheitskämpferin, die vor hunderten von Jahren als Märtyrer von den Truppen der Familien getötet – wir sprechen hier von RT – wurde, scheinbar wieder aufersteht, und dass auch seine alten Kumpel von der Envoy Truppe sich gegen ihn wenden. Shit Happens und diesmal regnet ein wahrer Monsun an Shit auf unseren Antihelden herab.

Die ersten beiden Kovaks´-Romane zeichneten sich durch eine sehr unterschiedliche Handlung, rasante Dialoge und fesselnde Charaktere aus.
Vorliegender dritter Band ist anders. Nicht etwa schlechter, weniger spannend, aber der Ton ist ein anderer. Brutaler, direkter, viel mehr Cyberpunk mit Military-SF und Detektiveinschüben als die beiden ersten Romane.

Wir erkennen Takeshi Kovaks, unseren Helden kaum wieder. Er war und ist ein Mann, der seinen Lebensunterhalt damit verdient hat, andere einzuschüchtern und umzubringen. Kein angenehmer Charakter, aber eine Person, die einem gewissen Ehrenkodex folgte, der ein Gewissen offenbarte, der schlicht sympathisch agierte.
In diesem inhaltlich sehr komplexen Roman ist das anders. Wir begegnen einem Mann der scheinbar sinnlose Gewaltakte begeht, der aus Rachsucht zu einem "Ein- Mann-Feldzug" gegen die Priester ausrückt. Diese zunächst unmotivierte Gewaltbereitschaft spiegelt sich auch in dem Ton des Romans wider. Er stößt seine Mitstreiter wie seine Leser durch seine Aussagen, durch seine Handlungen vor den Kopf, so dass ich immer weiter auf Distanz zu meinem Ich-Erzähler ging. Brutal, auch in Einzelheiten, werden die blutigen Auseinandersetzungen geschildert, Sex-Szenen, deren Beschreibung wortgleich aus Pornoromanen übernommen worden sein könnten passen da nur ins Bild. Das wirkt zunächst gefühlkalt, ist es aber bemerkenswerterweise nicht. Der Text packt mich auf eine sehr direkte, fast archaisch zu nennende Weise. Hier bleibt kein Leser unbeteiligt, hier wird jeden gezwungen Position zu beziehen.
Im Verlauf des Buches erfahren wir einiges aus der persönlichen Geschichte Kovaks, aus den historischen Entwicklungen, die ihn wie auch die anderen Bewohner des Planeten geprägt haben. Vieles wird unterschwellig vermittelt, in der Rückschau erst wird einem bewusst, wie sorgfältig jede Szene von Morgan geplant wurde, um die Entwicklung des Plots und die Zeichnung seiner Zivilisation voranzubringen. Das ist oftmals nicht eben appetitlich, wirkt aber dafür um so überzeugender. Hier leiden Menschen, hier begegnen wir einer Zivilisation mit all ihren vielen Schwächen, ihrem Elend und ihrem weit verbreiteten Opportunismus – eine Zukunft also, wie sie realistisch sein könnte, eine Zukunft, wie man sie sich aber nicht unbedingt wünschen würde.

Keine leichte, stromlinienförmige Lektüre also, aber eine, die jeden Leser zwingt sich mit den Begebenheiten auseinander zusetzen und innerlich zu positionieren und dadurch eine selten erreichte Intensität und Ausstrahlung erreicht.

hinzugefügt: February 4th 2006
Tester: Carsten Kuhr
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