Simon Templar Collector’s Box 1
GB 1967-1968, Regie: Roy Ward Baker u.a., mit Roger Moore, Ivor Dean, Justin Lord u.a.
Von Thomas Harbach
Mit der „Simon Templar Collector´s Box“ legt Koch- Media die erste von insgesamt drei geplanten Editionen der Farbepisoden der berühmten Fernsehserie „The Saint“ vor. Es ist die fünfte Season, allerdings die erste in Farbe.
Zusammen mit „The Shadow“, „Doc Savage“ oder „The Whistler“ gehört diese berühmte Figur Leslie Charteris ins goldene Zeitalter der Pulpmagazine. Von den zwanziger Jahren an bis in die achtziger Jahre erschienen die Geschichten in legendären Magazinen wie „Black Mask“, „Double Detective“ oder „Ellery Queen´s Mystery Magazine“. Auf den Sonntagsseiten der Tageszeitungen kämpfte er um seinen Platz neben Dick Tracy. George Sanders spielte in den vierziger Jahren mitten in der Film Noir Welle zum ersten Mal den Saint auf der großen Leinwand, aber Vincent Price intonierte einzigartige und auch heute noch hörenswerte Adaptionen fürs Radio.
1961 verkaufte der Autor der Romanserie Leslie Charteris die Rechte an seiner Schöpfung an den Produzenten Robert S. Baker. Zusammen mit Lew Grace der Fernsehgesellschaft ITC erschuf er zunächst basierend auf den Vorlagen insgesamt 71 schwarz weiß Folgen und 47 farbige Episoden. Von 1962 bis 1969 spielte der spätere James Bond Roger Moore im Original „The Saint“. Ian Fleming sah Roger Moore schon immer als die Inkarnation seines Doppelnullagenten auf der großen Leinwand, doch Moores Engagement bei „The Saint“ verhinderte einen früheren Wechsel in die Rolle des berühmtesten Geheimagenten. Dabei hatte Roger Moore mit seinem charmanten Auftreten eigentlich nur äußerlich Ähnlichkeit mit dem literarischen Saint. Beide sind knapp über 1.80 Meter groß, haben das gleiche Gewicht, rauchen viel und sind Genussmenschen, tragen die Haare zurückgekämmt. Hier hören auch die Ähnlichkeiten zwischen Charteris Schöpfung und der Fernsehserie auf. Denn in den ersten Romanen trug „The Saint“ verschiedene Messer am Körper und in seinem Zigarettenetui steckten Blitz- und Gasbomben. Er verhielt sich wie ein wählerischer moderner Robin Hood, der zwar die Reichen ausraubte, es aber nicht unbedingt den armen Menschen übergab. Ein rücksichtsloser Killer, ein Eigenbrötler und in manch weiterer Hinsicht ein frühe Inkarnation Bonds ohne die Lizenz zum Töten. Nicht unbedingt die Beschreibung des Saints der Fernsehserie, wie man gleich erkennen wird.
Wie viele britische Fernsehserien konnte sich „Simon Templar“ – wie sie in Deutschland genannt worden ist – eher auf dem Kontinent und den britischen Inseln, aber nicht in den so wichtigen USA durchsetzen. Erst in der Zweitauswertung begann sich die bis ins Herz britische Serie auch in den Vereinigten Staaten ein Publikum zu erobern.
Ende der 70er Jahre, Ende der 80er Jahre und später mit Val Kilmer in Hauptrolle versuchten findige Produzenten, den Stoff für die jeweilige Gegenwart anzupassen. Zumindest der erste Versuch konnte noch vierundzwanzig Folgen mit Ian Ogilvy in der Titelrolle anbieten, sowohl der zweite Fernsehfilm als auch der aufwendig gestaltete Kinoevent blieben in den Startlöchern hängen.
Obwohl die Agentenschwemme im Kino und Fernsehen noch bevorstand, bemühte sich ITV mit Roger Moore als jungem Zugpferd, ein möglichst breites Publikum mit einer Mischung aus Exotik, Sexappeal und Action anzusprechen. Man charakterisierte Simon Templar alias „The Saint“ als einen von Frauen bewunderten Junggesellen, eine mystische Figur, die von ihren Feinden gefürchtet wird und in einem ständigen Konflikt mit den Ordnungskräften steht. Sein Markenzeichen ist ein Strichmännchen mit einem Heiligenschein. Ein redegewandter Abenteurer, beizeiten ein Gentlemen der alten Schule. Er setzt sich ohne Rücksicht auf die eigene Gefahren aus, denen er manchmal mit handfesten Argumenten, öfter auch mit einem charmanten Lächeln begegnet. Der Vergleich zu Sir Lancelot ohne Rüstung aus der ITV- Werbung wirkt genauso überzeichnet wie die Feststellung, dass er ein treuer Freund und ein gefürchteter Feind in einer Person sein könnte. Wie ein roter Faden zieht sich allerdings eine aus heutiger Sicht ein wenig einfältige Handlungskonstruktion durch die Serie: Simon Templar wird wie magisch von Ärger angezogen, er legt die wirklich bösen Jungs auf Kreuz, rettet eine sehr junge und sehr hübsche Frau aus der Gefahr sowie entkommt dabei meistens dem einfältigen Inspektor Teal vom Scottland Yard – oder seltener einer anderen Polizeiorganisation.
Da Koch Media die erste farbige Staffel bringt, fällt wahrscheinlich weniger auf, dass ITV immer wieder die gleichen Sets und vor allem für den Hintergrund Archivfilmmaterial verwendet hat. Genaue Beobachter können erkennen, dass zum Beispiel ein bestimmter Fahrstuhl genauso immer wieder recycelt worden ist wie manche Zimmer, in denen einfach die Möbel umgestellt worden sind. In den 60er Jahren konnte nur eine verschwindend kleine Gruppe der Bevölkerung quasi von einem exotischen Ort zum nächsten jetten. Für eine knappe Stunde wurde – wie bei vielen anderen Serien – die große, reiche und weite Welt durch den Fernseher in die oft graue Gegenwart der schlichten Wohnzimmer übertragen. Aus heutiger Sicht beinhalten die Folgen einen unbestrittenen Charme. Roger Moores überzeugendes, ein wenig arrogantes Portrait des smarten Gentlemangangsters passt zu der längst vergangenen Zeit der klassischen Jetsetter, der bunten Nachtclubs, den Juwelen behängten Frauen und nicht wie heute Mädchen und den nicht der Bandenkriminalität erlegenen Städten. Ein Hauch von Spionage als ehrenvolle Aufgabe und nicht wie in John le Carres Romanen als schmutziges und tödliches Geschäft.
Koch Media veröffentlicht nicht nur die Folgen in Deutschland zum ersten Mal ungekürzt, es finden sich auch sieben Abenteuer in der Sammlung, die bislang nicht in unserem Fernsehen ausgestrahlt worden sind. Sie sind mit deutschen Untertiteln versehen worden.
I ausführlich bebilderten Booklet erläutert Martin Metzler die Veränderungen zwischen den in Europa erfolgreichen schwarz weiß Folgen und dem Beginn des Siegeszuges der farbigen Folgen.
Neben einer Handvoll sehr guter und insbesondere für männliche Anhänger der Serie attraktive Fotos gibt es einen ausführlichen Episodenführer, in dem neben dem Originaltitel, dem deutschen Titel, der Erstausstrahlung in Großbritannien und Deutschland auch einige wenige informative Sätze zur Folge selbst eingefügt worden sind. Damit werden wahrscheinlich nicht unbedingt die Insider angesprochen werden, aber die Mehrzahl der Käufer kann sich einen ersten Überblick über die britische Fernsehserienlandschaft allgemeine und die Zugkraft Simon Templars im Besonderen verschaffen.
Die Bildergalerie auf der DVD selbst ist eine Augenweide. In satten Farben werden die poppig bunten Werbematerialen wiedergegeben und stimmen den Zuschauer auf die Swinging Sixties ein. Da jede der hier vorgestellten Folgen auch mit dem entsprechenden Originaltrailer bzw. -teaser veröffentlicht worden ist, wird das Bild durch die Galerie eher abgerundet, das Sehvergnügen entsteht durch den Vergleich der Vorspeise mit dem Hauptgang, sprich, wie geschickt insbesondere die Briten in den kaum eine Minute langen Einführungsfilmen die Neugierde und schließlich Sehbegierde der Zuschauer wecken konnten. Auch heute noch lehrreich für viele Marketingfirmen, die mit unverständlichen und vor allem lauten Bildern ihre potentiellen Kunden zu erschlagen suchen anstelle deren Neugierde zu wecken.
Höhepunkt dürfte allerdings der Audiokommentar von Bob Baker, Peter Manley und Roger Moore für die fünfundachtzigste Folge „Escape Route“ (dt. „Templar auf der Flucht“) sein. Der Kommentar ist aus der australischen DVD Veröffentlichung der Serie übernommen worden. Bei dieser Folge übernahm Roger Moore auch Regie und neben bekannten englischen Schauspielern hatte Donald Sutherland seinen zweiten Auftritt in der Serie. Zu Beginn des Audiokommentars übernimmt Martin Metzler und führt die interessierten Zuschauer noch einmal kompakt und informativ in die veränderte Farbwelt Simon Templars ein. Gleichzeitig stellt er seinen Partnern eine Reihe von Fragen, um die Atmosphäre aufzulockern und ihnen wichtige Informationen zu entlocken.
Danach berichtet Moore amüsant und an manchen Stellen sehr informativ über die Dreharbeiten und seine Absicht, die Episode perspektivisch aus Templars Sicht zu erzählen, während sich Peter Manley mehr auf den Hintergrund der Folge und die Produktion der Folge konzentriert. Bob Baker hält sich etwas mehr im Hintergrund. Er versucht, die Lücken im Kommentar seiner Kollegen zu füllen und verbindet mit trockenem britischem Humor oft die laufende Handlung der Folge mit dem Audiokommentar. Neben Donald Sutherland kommt Jean Marsh in ihrer sehenswerten Rolle als Bösewicht sehr gut weg. Der Kommentar gibt den Zuschauern ein wenig einen Eindruck, wie Gentlemen selbst unter dem Zeitdruck des Fernsehens gut zusammengearbeitet und eine Serie produziert haben, auf die sie heute noch stolz sind.
Die Qualität der Folgen ist für deren Alter erstaunlich gut. Satte Farben – für eine Serie aus den späten 60er und frühen 70er Jahren obligatorisch – und eine sehr sorgfältige Restaurierung. Keine Aussetzer und das Tonformat Dolby Digital 2.0 erweist sich besonders bei der Titelmelodie als effektiv, wenn auch etwas laut. Die jeweiligen Menüs auf den einzelnen DVDs sind übersichtlich und gut zu führen. Koch Media hat die bislang nicht in Deutschland gelaufenen Folgen nur untertitelt, für einige Zuschauer eher ein Hindernis, aber die effektivste Methode, um die Kontinuität zu wahren und keine weitere Stimme Moores in die Serie einzuführen. Im Gegensatz zur anderen sehr populären Roger Moore Serie „Die Zwei“ sind auch die Dialoge im Original sehr spitzfindig, mit typisch britischem Humor durchsetzt und voller Ironie. Darum ist die Serie im Vergleich zu zum Beispiel „Die Zwei“ weniger stark gealtert und die oft phantastische Atmosphäre erweckt eher den Eindruck einer Fantasywelt – mit Simon Templar als Weltenwandler zwischen seiner Gentlemanumgebung und seinen Ausflügen in die Welt des Verbrechens – als einer Swinging Sixties-Serie.
Es wäre allerdings schon gewesen, wenn Koch Media auf dem Cover einen Hinweis angegeben hätte, dass die Collector´s Box 1 in Wirklichkeit eine hoffentlich nur fünfte Box darstellen wird und die schwarzweiß Folgen – von denen ja auch einige in Deutschland liefen – bald in ähnlich guter Präsentation auch von ihnen auf DVD veröffentlicht werden. Für Sammler und langjährige Templar-Fans ist diese Box sowieso ein Musskauf, wer sich etwas mehr für das britische Fernsehen interessiert und vor allem die Wurzeln der 70er Jahre Bonds sehen möchte, erhält mit dieser Box nicht nur einen sehr guten Eindruck, sondern auch einen fairen Gegenwert für sein Geld. Viele der guten Anlagen der Roger Moore Bonds ohne den nervtötenden Klamauk finden sich in Roger Moores konzentriertem Spiel und den oft sehr kompakten und spannenden Plots dieser Serie.
DVD-Facts:
8 DVDs, Laufzeit: ca. 1170 Minuten
Bild: Vollbild (1:1,33, 4:3)
Ton: deutsch Dolby Digital 2.0, englisch Dolby Digital 2.0
Untertitel: deutsch
DVD-Extras:
Audiokommentar, Bildergalerie, Booklet