| |
|
|
|
|
Masters of Horror: Chocolate (DVD)
Masters of Horror
Chocolate
DVD
USA 2005, Regie: Mick Garris, Drehbuch: Mick Garris, mit Henry Thomas, Matt Frewer u.a.
Von Thomas Harbach
Mike Garris als ausführender Produzent der „Masters of Horror“-Reihe steht mit seinem Beitrag gleich dreimal unter der kritischen Lupe. Trotz seines umfangreichen Werkes – in erster Linie Fernsehproduktionen und B- Filme mit niedrigem Budget – kann man ihn nicht als Meister des Horrors bezeichnen. Zum Zweiten hinterlässt es immer einen faden Beigeschmack, als Produzent auch einen Beitrag beisteuern zu wollen und letztendlich erfüllen bis auf seinen „Psycho IV“ seine Filme nicht das Kriterium von Sex und Gewalt, die die anderen Folgen effektiv, wenn auch ein wenig übertrieben propagieren. Dabei gehört Garris nicht zu den schlechtesten Handwerkern des Genres. Sowohl mit „The Stand“ als auch „The Shining“ hat er technisch solide, aber oft wenig inspirierte Adaptionen von Stephen Kings besten Werken abgeliefert. Beiden Miniserien fehlen allerdings selbst unter Berücksichtigung der Einschränkungen des Fernsehens der kreative Funke und der Mut, dem oft pulphaft übertriebenen Horror Kings eine entsprechende mediale Umsetzung hinzuzufügen. Natürlich ist es nicht nur eine Herausforderung, sondern aus seiner Sicht vielleicht eine Notwendigkeit, im Gleichschritt mit Legenden – auch wenn sie etwas Patina angesetzt haben – wie John Carpenter, Tobe Hopper, Dario Argento oder Larry Cohen – der wahrscheinlich Garris Vorgehensweise am nächsten kommt – genannt zu werden. Und auf jeder guten Party sollte der Gastgeber zumindest eine nette Ansprache halten. Also stellt „Chocolate“ in reinster Form den Beitrag des Gastgebers dar: adaptiert von seiner eigenen Kurzgeschichte – im Jahr 2000 in seiner Science Fiction Anthologie „Life in the Cinema“ erschienen mit seinem bevorzugten Darsteller Henry Thomas – weltberühmt durch seine Rolle in Steven Spielbergs „E.T.“ - , den er schon in seinem „Psycho“-Prequel sehr effektiv gegen seine bisherigen Rollenklischees eingesetzt hat.
Inhaltlich lässt sich die vorliegende Folge eher in den Bereich der „Amazing Stories“ – wie bei der von Steven Spielberg produzierten Show offeriert Garris keine Lösungsvorschläge für das beschriebene Phänomen und lässt viele Fragen bewusst oder aus scripttechnischer Hilflosigkeit offen – und der „Twilight Zone“ – allerdings ohne die oft ungewöhnlich prägnante Moral am Ende der Geschichte, aber Thomas fungiert als Erzähler seines eigenen Schicksals und wird blutüberströmt zu einer modernen Inkarnation Rod Sterlings – einordnen als eine Folge der „Master of Horror“. Zwar fließt das Blut in zwei Szenen in Strömen, doch beide wirken künstlich stilisiert und übertrieben, als wenn der Regisseur dem Geschehen bewusst eine surrealistische Atmosphäre geben wollte.
Henry Thomas spielt Jamie, einen kürzlich geschiedenen Chemiker einer Lebensmittelfabrik. Sehr ruhig, mit kurzen, prägnanten Szenen oft mit leichter Ironie versetzt beschreibt Garris zu Beginn den schwierigen Umorientierungsprozess eines frisch Geschiedenen. Eines Abends spürt er deutlich den Geschmack einer besonders exquisiten Schokolade in seinem Mund, ohne welche gegessen zu haben. In den nächsten Tagen wird er immer wieder für einen kurzen Augenblick in eine andere traumartige Welt versetzt. Er blickt aus dem Körper einer schönen Frau heraus eine ihm unbekannte Stadt an, einen fremden, exotisch faszinierenden Mann und erlebt schließlich als stiller Beobachter eine wilde Liebesnacht und als Erfüllung männlicher Machophantasien, wie sich die Frau unter der Dusche selbst befriedigt. Als er miterleben muss, wie sie im Affekt ihren untreuen Liebhaber tötet und er durch Zufall erfährt, dass sie in Vancouver lebt – wie viele amerikanische Fernsehserien sind auch die „Masters of Horror“ in Kanada gedreht worden – reist er los, um die Frau, die er nicht zuletzt wegen der einzigartigen und eigenartigen Synthese zu lieben beginnt, zu schützen.
Schon die kurze Inhaltsangabe verrät, dass sich „Schokolade“ mit seiner bekannten Prämisse – unerklärliche geistige Verbindungen – in eine Reihe von Filmen und Fernsehfolgen einreiht. Insbesondere in den 70er und 80er Jahren dem Trend des Exorzisten folgend entstanden Filme wie „Brainstorm“ oder „Die Augen der Laura Mars“. Während der erste Film eine wissenschaftliche Grundlage für den Gedankentransfer und ein mögliches Aufzeichnen von Emotionen und Erinnerungen suchte, konzentriert sich der mit Faye Dunaway exzellent besetzte und in der Modewelt spielende Thriller „Die Augen der Laura Mars“ ausschließlich auf eine unrationale emotionale Ebene. Nicht nur dank des künstlerischen Hintergrunds in dieser Folge – er Geschmacksspezialist, sie offensichtlich Malerin, das Opfer ein anerkannter Künstler wilder erotischer Bilder – erinnert Mike Garris Arbeit unwillkürlich an den distanziert inszenierten, aber auch heute noch gut anzusehenden Thriller. In beiden Fällen bemühen sich Drehbuchautoren und Regisseure nicht unbedingt um eine rationale Erläuterung der Phänomene. Garris deutet kurz an, dass Jamie an einer gewissen Gefühlsarmut leidet und sein Unterbewusstsein vielleicht auf diesem Weg eine gewisse Kompensation sucht. Aber er belässt es bei Andeutungen. Er verschenkt in seinem zu Beginn sehr langsamen, aber präzisen Handlungsaufbau und am Ende hektisch und zu offen abgeschlossenen Showdown eine Reihe von ergreifenden Szenen zugunsten eines simplen unerklärten Phänomens. Auch dieser Endkampf – in welchen die Endcredits fast hineinragen – wirkt überlang im Vergleich zum bisherigen Spannungsbogen, ein wenig zu sehr wie eine bitterböse und blutige Parodie der letzten Szenen des „Rosenkriegs“ und beraubt die Handlung ihrer bislang aufgebauten erotischen Spannung.
Die Folge lebt von einer sehr guten und ausgeglichenen eher unbekannten Schauspielerriege. Während Henry Thomas in einigen kleineren Produktionen bewiesen hat, dass er gegen sein E.T. Image spielen kann. Insbesondere im Zusammenspiel mit Matt Frawer, der einen exzentrischen Kollegen mit einem Doppelleben – tagsüber Lebensmittelforscher und nachts Mitglied einer Hardrock/ Punkband – spielt. Ihnen hat Garris die besten Dialoge auf ihre nicht immer freiwilligen Junggesellenleiber geschrieben. Trotz der für sein Werk Anhäufung von Sex und Gewalt bilden Handlungsgerüst und Darstellung keine Einheit. Garris kann eine Gruppe von Schauspielern gut führen und sie als homogenes Team mit markanten Eigenheiten, aber konstanter Leistung abbilden. In einem krassen Gegensatz steht die eher vorhersehbare und oft wenig überraschend Handlung. Auch wenn das Ziel dieser Geschichte vielleicht die Darstellung von Einsamkeit und geheimen Wünschen sein könnte, die nur über ein schreckliches, schmerzhaftes Opfer in Erfüllung gehen, gelingt es dem Drehbuch nicht, die Barriere zu den Zuschauern zu überwinden und ihre Sympathieebene anzusprechen. Sie verfolgen das Geschehen eher aus einer ungewöhnlich neutralen Position heraus. Der Folge fehlt aber die markante Schärfe, die Stoffe wie „Homecoming“ auszeichnet. Oder eine ungewöhnliche Erzählungsweise wie zum Beispiel „Dreams in a Witch House“ mit ineinander fließenden Dimensionen und einer kontinuierlichen Verunsicherung der Zuschauer. Zu klar grenzt Garris zwischen einem einsamen, verunsicherten Menschen und seinem traumatischen, die Realität sprengenden, aber nicht verändernden Visionen ab. Zu schnell –viel schneller als der Charakter selbst – differenziert der aufmerksame Zuschauer zwischen der Realität und Jamies Einbildung. Im Gegensatz zu einigen anderen seiner Filme erscheint es, als ob Garris eine persönliche, fast eine intime Geschichte erzählen wollte. Dieser Versuch überstrahlt deutlich die Unzulänglichkeiten des Drehbuchs. Im Gegensatz zu seinen oft verspielten und wenig erwachsenen Horrorarbeiten fürs Fernsehen arbeitet Garris hier deutlich seine Position heraus. Er verbindet menschliche Schicksale und Beziehungen mit dem Versuch, einer grotesken Handlung. Obwohl er das phantastische Genre liegt, wäre es interessant, andere grenzüberschreitende Arbeiten von ihm im Bereich der Komödie oder des Dramas zu sehen und zu vergleichen. „Chocolade“ ist eine durchschnittliche, schauspielerisch allerdings sehr gute Folge der „Masters of Horror“, nicht von einem Meister inszeniert, sondern dem ausführenden Produzenten und sehr menschlichen Schöpfer dieses einmaligen Versuchs.
Einen Großteil der Specials nehmen die während der Dreharbeiten entstandenen Interviews mit den beiden Hauptdarstellern Lucy Laurier und Henry Thomas, so wie dem Regisseur und Produzenten der Reihe Mike Garris ein. Während insbesondere Lucy Laurier mit ihrem unverkennbaren frankokanadischen Akzent sehr natürlich und unverkrampft von den Dreharbeiten berichtet, ihre Vorlieben für Sex und Schokolade leicht errötend erzählt und schließlich sich zumindest als Monsterfans outet, geht Henry Thomas das Interview deutlich ernster und ein wenig distanzierter an. Er hat schon mehrmals mit Garris gearbeitet und kann Vergleiche zwischen den frühen Fernseharbeiten und der jetzt gut budgetierten Showtime- Serie ziehen. Auch wenn die nicht im Bild erscheinenden Interviewer oft ähnliche Fragen benutzen, geben die drei Interviews zusammen nicht nur ein komplexes Bild, sondern fassen die Stärken und Schwächen der Folge sehr gut zusammen. Immer wieder wird betont, wie gut das Team zusammengearbeitet hat und dass Mike Garris ein Schauspieler Regisseur ist. Das die der Geschichte zugrunde liegende Idee in den zwanzig Jahren von ihrer ersten Geburt als Kurzgeschichte – ebenfalls in Vancouver und in dem Lokal spielend, in dem Mike Garris schließlich eine der Schlüsselszenen drehen sollte – bis zu ihrer filmischen Gestehung nicht reifer, sondern vorhersehbarer geworden ist, wird von allen Dreien höflich ignoriert. Das Interview mit Mike Garris teilt sich im Großen und Ganzen in zwei Abschnitte. Einmal seine Arbeit am Set. Hier erkennt ein aufmerksamer Beobachter, wie schwer es dem Regisseur fällt, wirklich über die zugrunde liegende Geschichte zu sprechen. Er bemüht sich, die wenigen handlungstechnischen Überraschungen nur anzudeuten und die Stärken der Geschichte – insbesondere die überzeugend agierenden Protagonisten Thomas und Laurier, die in ihrem Zusammenspiel in einigen Szenen überzeugende erotische Spannung entstehen lassen – herauszustellen. Der zweite Block setzt sich mit der Idee der „Masters of Horror“ zusammen. Hier wird ihm als Produzenten von der unbekannten Interviewerin ein wenig der Bauch gepinselt, denn Mike Garris ist nach Joe Dante der zweite Nicht- Meister des Horrors. Es wäre schöner gewesen, noch mehr Informationen über die Vorgehensweise des Produzenten in Erfahrung zu bringen. Oft zählt er nur die einzelnen Regisseure, die Drehbuchautoren und in wenigen Fällen die zugrunde liegenden Geschichten auf. Kein Wort über die Ansprache, über die Motivation der einzelnen sehr unterschiedlichen Regisseure, die Budgets und die Freiheiten, die sie beim Drehen für eine amerikanische Fernsehsendung hatten. Garris Antworten wirken zu glatt und im Grunde emotionslos. In die gleiche Kerbe fällt das sehr kurze Portrait, das die DVD abrundet. Neben einigen biographischen Daten eine kurze, sehr unübersichtliche und nicht einmal thematisch richtig geordnete Bibliographie. So werden CRITTERS 2 und PSYCHO IV gleich zweimal auf der vierten Seite genannt.
Der technische Block teilt sich in diesem Fall in zwei Kategorien: einmal die obligatorischen „Behind the Scenes“, in der in bekannter Manier die Entstehung dreier Szenen ausführlich vorgestellt wird. Der Zuschauer erhält mit jeder Folge der „Masters of Horror“ die fast einmalige Möglichkeit, unterschiedliche Regisseure in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten. Dabei wirkt Mike Garris im Vergleich zum handgreiflich eloquenten und ansonsten kamerascheuen Dario Argento sehr gut und gesetzt. Warum man dann unter dem zweiten Titel „Making Off“ noch zwei weitere Szenen analysiert hat, wird das Geheimnis der Produzenten bleiben. Alle fünf Passagen hätten sehr gut unter eine Überschrift gepasst. Wie in den anderen Folgen wäre es schön gewesen, die Dreharbeiten mit einem Off -Ton zu unterlegen.
Insbesondere für eine so charakterintensive Episode wie „Chocolate“ ist es notwendig, dass Bonusmaterial und eigentliche Geschichte eine Synthese bilden. Das funktioniert in diesem Fall sehr gut, die Schauspieler und der Regisseur bemühen sich, dem Zuschauer einen nicht übermäßig propagandistischen Eindruck zu vermitteln und beurteilen die eigene Leistung überraschend selbstkritisch. Ein Teil der Interviews hätte einen besseren Schnitt verdient, so wirken sie – am Set gemacht – allerdings authentisch und übertragen die stetige Bewegung im Hintergrund der Dreharbeiten in die Wohnzimmer der Zuschauer. Mike Garris' Folge – da er auch Produzent der gesamten Reihe ist, muss er es sich gefallen lassen, ein wenig kritischer als seine reinen Mitregisseure betrachtet zu werden – funktioniert als intime Mystery- Geschichte mit obligatorischer Sex- und Gewaltszene und trotz bekannter Handlung sehr gut, nicht zuletzt dank eines harmonischen Protagonistenpaares. „Chocolate“ schmeckt nicht so süß, dass sie zu den Spitzenfolgen der Serie gehört, aber ein billiges und abgeschmacktes Produkt ist sie auch nicht.
DVD-Facts:
Bild: 1,78:1 (Widescreen anamorph)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, englisch Dolby Digital 5.1
DVD-Extras:
Screensaver, Making of, Behind the Scenes, Interviews, B-Roll, Soundtrack, Featurettes
hinzugefügt: May 22nd 2006 Tester: Thomas Harbach Punkte: zugehöriger Link: Homepage zur Reihe Hits: 2970 Sprache: german
[ Zurück zur Übersicht der Testberichte | Kommentar schreiben ] |
|
|
|
|
|
|
|
|
Masters of Horror: Chocolate (DVD) Geschrieben von Anonymous auf 2009-12-05 13:25:11 Meine Wertung:
Valium Tramadol
|
|
|
|
|
|