Bloodrayne
Horror-Film, USA/ROM 2006, 99 Minuten.
Mit Kristanna Loken, Sir Ben Kingsley, Billy Zane u.a.
Regie: Dr. Uwe Boll, Buch: Guinevere Turner, Kamea: Matthiaus Neumann (BVK), Musik: Henning Lohner, FX und 2nd Unit-Regie: Olaf Ittenbach u.a.
Import-DVD
Ist Uwe Boll der schlechteste Regisseur seit Ed Wood, wie ‚alle’ schreiben? Nein. Trotzdem besteht sehr wenig Hoffnung, dass er irgendwann mal ein deutscher James Cameron wird, ja nicht mal zu einem Paul W.S. Anderson wird es reichen. Warum wird jedem neue Boll-Werk mit so viel Verachtung begegnet? Der Grund dürfte darin liegen, dass es selbst Verachtung ausstrahlt, Verachtung vor dem filmischen Erzählen und da liegt das interessante und rätselhafte in der Regie-Persönlichkeit von Dr. Uwe Boll: Woher nimmt jemand das wirtschaftliche Geschick und die Kraft und den Elan, um so viele Filme auf die Beine zu stellen und zu inszenieren, wenn es ihm spürbar nicht darum geht, künstlerische Befriedigung durch filmisches Erzählen zu finden? Seinen Namen im Vorspann dürfte er nun häufig genug gelesen haben, einen „richtigen“ Film will er nicht inszenieren, was treibt Uwe Boll an?
Auch die aktionsreiche Vampir-Videospielverfilmung „Bloodrayne“ ist von großer Verachtung dem filmischen Erzählen gegenüber geprägt, so dass es nicht mal lohnt, die angedeutete Geschichte nachzuerzählen und wir uns darauf beschränken können: Die attraktive Terminatrix Kristanna Loken spielt eine Halb-Vampirin, die zusammen mit ein paar Mitstreitern (u.a. Michael Madson & Michelle Rodriguez) den Obervampir Sir Ben Kingsley erledigen will. Leider ist auch „Bloodrayne“ insofern völlig misslungen, als dass auch auf dieses Bollwerk der blöde Witz passt, dass man die Szenen fast in beliebiger Reihenfolge montieren könnte und der Film würde trotzdem nicht mehr Kohärenz ausstrahlen.
Es geht ja gar nicht darum, cineastisch-spießig gut entwickelte Charaktere oder eine runde Geschichte einzufordern, wenn man aber geradezu spürt, dass erklärende Rückblenden lediglich deswegen erscheinen, weil das halt so sein muss und retardierende Momente ersichtlich Alibi-Charakter haben (und strunzlangweilig geraten), dann zieht einen die filmische Erzählung einfach nicht in ihren Bann. Uwe Boll kann oder will nicht erzählen (in entwaffnender Ehrlichkeit nannte er die erzählenden Elemente eines Films in einem Audiokommentar schon einmal „Scheißdreck“), oder beides. Trotz viel Aktionsreichtum lässt einen „Bloodrayne“ völlig kalt und langweilt deswegen sogar gelegentlich. Und wenn man nicht in einen Film hinein gezogen wird oder sich gar langweilt - dann, ja dann achtet man halt auch auf andere Dinge. Man bemerkt, dass Kulissen und Kostüme wohl aus den Restbeständen von TV-Epen wie „Xena“ stammen (das sollen 25 Millionen Dollar sein?! Ach komm!) und man ärgert sich, dass der Film schlecht ausgeleuchtet ist und in vielen Action-Szenen Montage und Kadrierung so dilettantisch geraten sind, dass im besten Fall keine Dynamik aufkommen will und man im schlimmsten Fall gar nicht weiß, was man da im Moment sehen soll.
Größtes Faszinosum stellt aber das Schauspieler-Ensemble dar: Uwe Boll hat das Talent, Schauspieler immer gerade dann abgreifen zu können, wenn sie Löcher im Terminplan und der Kasse haben und so kommt es, dass wir hier u.a. Geraldine Chaplin aus „Dr. Schiwago“ in der Rolle einer Zigeunerin sehen können. Da die angeheuerten Darsteller normalerweise anderes gewohnt sind, als in Rumänien in Vampirkostümen für einen gebrochen Englisch redenden Wermelskirchener vor der Kamera zu stehen, kann man fast mit Händen greifen, wie unwohl sich viele fühlen, wie deplaziert und vor allem wie lustlos. Sir Ben Kingsley, der Mann der Mahatma Gandhi und Jitzhak Stern war, schlafwandelt fast durch seine Rolle als Obervampir, außer den Lippen bewegt er praktisch nichts, und selbiges gilt auch für Michael Madsen, der mit Furcht erregender Perücke das Minimalsoll seines Vertrages mit schon (Boll gegenüber) unverschämter Lustlosigkeit erfüllt.
Lustlose Schauspieler, miese Action-Szenen und große Langweile durch eine nicht vorhandene Geschichte, da bleibt leider nicht mehr viel guter Wille übrig. Dabei gibt es gerade für Fans trashiger Spektakel eine Menge zu mögen. Die sehr attraktive Kristanna Loken hält die ganze Zeit den Ausschnitt ihres eng anliegenden Kostüms, das gleichzeitig als Push-Up funktioniert, in die Kamera und erfreut die Fan-Boys dann sogar noch mit einer kurzen Oben Ohne-Sexszene, die allerdings (Stichwort: schlagende Gittertür) eher lächerlich als erotisch daher kommt. Darüber hinaus kommen Gore-Fans sogar einigermaßen auf ihre Kosten, bei den Splatter-FX durfte der Veteran Olaf Ittenbach ran und lieferte, zumindest im Unrated Director’s Cut, erstaunlich blutrünstige Schwertkämpfe und Vampirbisse ab, die weit über das hinaus gehen, was im US-Mainstream-Horror zur Zeit üblich ist. Auch andere Höhepunkte wie die Gastauftritte eines völlig überkandidelten Billy Zane oder eines Meat-Loaf als fetter Harems-Vampir (ja, Harems-Vampir) würden durchaus für gute Laune sorgen, wenn „Bloodrayne“ einen ansonsten nicht so völlig kalt lassen würde. Schade.
Auch wenn sein großes Fantasy-Epos „Dungeon Siege“ noch aussteht, zeigt Boll mehrfach, wie beeindruckt ihn Jacksons „Herr der Ringe“-Trilogie hat. So bekommt man ebenfalls viele auslandende Hubschrauber-Shots von Reitern durch Berglandschaften zu sehen, die allerdings mangels Rhythmus, Timing und viel zu häufiger Wiederholung ebenfalls im Nichts verpuffen - und eine eigenwillige und sogar gelungene Hommage an die Höhlentroll-Szene.
Gegenüber dem völlig missratenen „Alone in the Dark“ ist das alles schon eine Steigerung, wir wollen aber, wenn wir jetzt unteren Durchschnitt konstatieren, den Champagner lieber noch im Kühlschrank lassen. Als Videopremiere noch nicht brauchbar, als Kinofilm eine Zumutung.
Fazit: Weiteres Bollwerk, das trotz einiger hübscher Trash-Elemente wegen völlig zusammenhanglos aneinander gereihter, schlecht inszenierter Action-Szenen nicht in seinen Bann ziehen will und deswegen zu sehr die Aufmerksamkeit auf die vielen misslungenen Elemente richtet.
Director’s Cut:
Die gesehene Version stellt den Director’s Cut dar, der 5 Minuten länger als die 94minütige Kinofassung daherkommt und wohl deutlich mehr harte Gore-FX enthält, die in dieser Form niemals eine Freigabe in den USA bekommen hätten.
Kurz vor dem Abspann offenbart dieser Director’s Cut dann eine echtes Rätsel: Eine Blut-Montage der Gore-Höhepunkte, die an dieser Stelle sich überhaupt nicht einfügt und keinen Sinn macht und einen rätselnd zurück lässt. Das wirkt so, als hätte jemand kurz vor dem Abspann eine Featurette „Die Gore-FX“ in den Film geschnitten. Man sollte also die Bezeichnung „Director’s Cut“ mit Vorsicht genießen..
Die DVD von Visual Entertainment aus den USA ist technisch nicht der Hit. Wie schon bei früheren Bollwerken, die für Scope komponiert wurden und in Deutschland auch in 2,35:1 abgetastet wurden, wird wiederum mittels Open Matte ein 1,78:1-Transfer angeboten, ferner ist das Bild viel zu dunkel.
Der Soundmix ist nicht sonderlich dynamisch, Untertitel werden in Englisch und Spanisch gereicht.
Immerhin ist die DVD halbwegs vernünftig ausgestattet, man bekommt einen der immer genialen Audiokommentare von Uwe Boll (immerhin u.a. in Begleitung von Kristanna Loken), in welchen sich verblüffend viel über Elemente gefreut wird, die wohl sonst niemand gut findet. Schön unprofessionell: Wie schon bei „Alone in the Dark“ wurde der Audiokommentar an die Kinofassung angelegt, so dass man bei Szenen aus dem Director’s Cut Schweigen im Walde und auf der Tonspur hört.
Ferner gibt es eine rätselhafte FX-Montage und ein gut 45minütiges, nettes Interview-Feature namens „Dinner with Uwe“, in welchem Uwe Boll unrasiert und im Trainingsanzug seine cineastischen Weisheiten zum Besten gibt.
Der Film wird als DVD-Premiere auch in Deutschland ausgewertet werden. Ob die Kinofassung oder der DC Verwendung findet, steht im Moment noch nicht fest.