Magic
DVD
USA 1978, Regie: Richard Attenborough, Drehbuch: William Goldman, mit Anthony Hopkins, Ann-Magret, Burgess Meredith, Ed Lauter u.a.
Von Thomas Harbach
Ende der 70er Jahre hatte es das Horror-Genre schwer, an der Kinokasse Punkte zu sammeln. Der Kopf der Zuschauer steckte noch in den Sphären von George Lucas’ „Star Wars“ und die Splatter-Welle hatte noch nicht begonnen. Intelligenter, subtiler Horror zeigte sich höchstens in einer Reihe von Low Budget Produktionen. In dieses ungesunde Klima tauchte eine mit dem Untertitel „A terrifying Love Story“ eine ungewöhnliche und ungesunde Beziehung zwischen einem Puppenspieler und seinem hölzernen Star ein. William Goldman „Misery“, „Die Brautprinzessin“) adaptierte seinen eigenen Roman für das Drehbuch. Seine Geschichte ließ die alte Zeit der Showbühnen wieder aufleben und fast fünfzig Jahre nach dem ersten Leinwanddebüt einer Bauchrednerpuppe bildete dieser Film zugleich den Abschluss dieses Subgenres. Nach Erich von Stroheims „The Great Gabbo“ (1929) gehört der abschließende Teil der Trilogie „Dead of Night“ (1945) zu den unerreichten Höhenpunkten des Genres. Im Rahmen von Alfred Hitchcockss Present Serie wurde die Idee 1957 noch einmal in einer Folge aufgenommen, bevor Richard Gordon mit seinem übernatürlichen und deutlich explizierten „The Devil Doll“ der vorletzte Film erschien. Als Regisseur von „Magic“ wurde der ehemalige Schauspieler Richard Attenborough ausgewählt, dessen bisheriges Werk unter anderem aus dem Kriegsepos „Brücke von Arnheim“ bestanden hat. Was heute bei Filmen wie „Cry Freedom“ und „Gandhi“ oft vergessen ist, sind die Wurzeln dieses britischen Exzentrikers. Mit dem psychologisch sehr interessant komponierten „Seance on a Wet Afternoon“ (1964) und dem Thriller „10 Rillington Place“ hat er bewiesen, dass er sich mit dem subtilen Psychothriller sehr gut auskennt. Mit „Magic“ wird er diesen Zweig seines Werkes auf einem Höhepunkt beenden und nicht mehr in die Niederungen der reinen und guten Unterhaltung zurückkehren.
Ein solcher Film lebt von seinen Hauptdarstellern. Auch wenn Anthony Hopkins inzwischen nicht zuletzt dank seiner drei sehr unterschiedlichen Auftritte als Hannibal Lecter mit der Darstellung eines Psychopathen sehr vertraut ist und damit beim Publikum sehr leicht in diese Schublade abgeschoben wird, bestand schon zu Beginn seiner Karriere ein starkes Interesse an konflikthaltigen und konfliktstarken Rolle. Nach „Magic“ übernahm er die Rolle des Dr. Treves in David Lynch außergewöhnlichen „The Elephant Man“ und spielte Quasimodo in einer Fernsehadaption des „Glöckner von Notre Dame“ für die BBC. Hier spielt er eine gescheiterte Existenz. Beruflich ist der Bühnenmagier Corky in einer Sackgasse. Seine Auftritte wirken wenig inspiriert, sein Privatleben ist nicht existent und jeder Este könnte sein Letzter in diesem schmierigen Etablissement sein. Als er allerdings seine Auftritte mit einer hölzernen Puppe namens Fats aufwertet, beginnt sich das Blatt zu wenden. Fats großmäulige Art, seine direkte Frechheit lenken von Corkys Unvermögen als Magier ab und unterhalten das Publikum auf eine fast infantile Weise, die Corky als still leidendem Intellektuellen fast peinlich ist. Je mehr Erfolg sich einstellt, desto deutlicher wird es seinen Kollegen, dass nicht unbedingt Planung und Originalität hinter diesem neuen Karriereschub stehen, sondern die ersten Zeichen von beginnendem Wahnsinn. Sein aggressiver Agent – Burgess Meredith in einer ungewöhnlich emotionalen und vielschichtigen Rolle – versucht neue Engagement für ihn zu finden, er dagegen sucht in einer abgeschiedenen Region des Landes Abstand von den ihn mehr und mehr kontrollierenden Fats. Als die unglücklich verheiratete Ann Marget in sein Leben tritt, durchbricht Corky die letzte moralische Barriere und beginnt unter der Kontrolle der Puppe zu morden.
Aus heutiger Sicht gehört „Magic“ zusammen mit Oliver Stones zweiten Film „The Hand“ zu den großen Leistungen des Horrorfilms der 70er Jahre. Zu ihrer Zeit überwiegend ignoriert und von den Kritikern diffamiert, überzeugen sie inzwischen nicht zuletzt dank der vielschichtigen, sehr interessanten schauspielerischen Gesamtleistung des Teams mit dem jeweiligen Höhepunkt in Person Michael Caine und Anthony Hopkins. Dieser spricht und spielt beide Rollen, Cosky, der ewige Verlierer ist von der Mimik, Gestik und Artikulation beeindruckend, wenn Attenborough allerdings ihn ins Gegenlicht zu Fats setzt, wird aus dessen Spiel eine wahre Tour de Force. Corky hat eine angenehme, sehr weiche Stimme, während Fats laut und aggressiv spricht. Höhepunkt des Films ist sicherlich die Konfrontation zwischen Hopkins und seinem Agenten Meredith, in der Letzterer seinen Schützling bittet, fünf Minuten nicht mit der Stimme Fats zu sprechen. Kaum eine gewalttätige Szene kann diese emotionale Spannung erreichen und die wenigen Morde am Ende des Films wirken unter diesen Umständen wie ein Anti- Höhepunkt. Im Laufe des Films werden sich Fats und Corky auch äußerlich immer ähnlicher und diese nicht immer subtil dargestellte Wandlung ist der eigentliche sehr plakativ dargestellte Schrecken dieses Films. Sehr gekonnt beschreibt der Regisseur mit der sehr guten Unterstützung eines geradlinigen, sehr intelligent geschriebenen Drehbuchs den schmalen Grad zwischen Genie und Wahnsinn und der stetigen Versuchung, den Weg des geringsten Widerstands beim größten Erfolg zu gehen.
Über weite Strecken der Handlung wirkt die Art der Inszenierung wie eine Hommage an die „alten“ Filme der 40er und 50er Jahre. Eine fast statische Kameraführung, sehr viele Close Ups und natürliche Dialoge bestimmen diesen Teil des Films. Je mehr Corky sein Publikum bei seinen Vorstellungen einfangen und schließlich verführen kann, desto moderner und variantenreicher wird die Inszenierung. Richard Attenborough agiert immer am Rand der Versuchung, sein Publikum zu manipulieren. Viel schneller als die einzelnen Kollegen Corkys erkennt der Zuschauer, dass dieser die Grenzen überschritten hat und sich sein Wahnsinn und Verfall nicht mehr aufhalten lässt. Gänzlich im Hintergrund bleibt jede übernatürliche Anspielung. Es ist nicht erkennbar, ob Corkys sich stetig verstärkender Wahnsinn auf einen äußerlichen Einfluss – durch Fats als gruseliges Element des Films – basiert. Bis zum mit einem bösen Epilog versehenen Ende spielt der Regisseur diese Karte ganz bewusst nicht aus. Als die Gewalt schließlich ausbricht, hat der Regisseur in Kooperation mit Hopkins das Publikum weiterhin auf seiner Seite und die Stärke dieser Darstellung ist nicht zuletzt in der Reaktion des Publikums erkennbar, dass weiterhin Sympathie für den inzwischen wahnsinnigen Corky empfindet und sich nicht gleich auf die Seite seiner oft unschuldigen Opfer schlägt. Zwar ist die Sequenz am See effektiv inszeniert, in der Durchführung aber zu einfach und im Grunde unlogisch. Insbesondere ein aus Holz geformter Puppenkopf lässt sich nicht so einfach „zerdrücken“. Symbolisch natürlich eine effektive Szene, aber in einem Film, der über eine gesamte Länge in Realismus trotz unheimlicher, aber im Gegensatz zum ursprünglichen Roman niemals übernatürlicher Vorgänge deplatziert.
Anthony Hopkins in seiner ersten größeren Rolle spielt sich in einem starken Kontrast zur dunklen, fast nihilistisch depressiven Atmosphäre in einen wahren Rausch. Nicht nur die Gestik und Mimik wandeln sich mehrmals im Verlaufe des Films, auch sein äußeres Erscheinungsbild als Sinnbild seines geistigen Zustandes spielt eine fast elementare Rolle. Ganz bewusst hat Attenborough auch fast den kompletten Film auf seine Person und seine Persönlichkeit zugeschnitten. So zeigt der Regisseur in erster Linie und fast unerträglichen Konzentration Close Ups und konzentriert sich auf die Augen des Schauspielers und seinem hölzernen Vertrauten. In ihnen spiegelt sich die Seele eines Menschen wieder. Sehr intensiv nutzt er dieses Stilmittel, um die fortschreitende Veränderung der beiden schließlich untrennbar verbundenen Schicksalsgenossenen – wenn wahrscheinlich auch nur in Corkys irrealer Traumwelt – in bewusst simplifizierte Bilder zu fassen.
Es sind viele Details, die auch heute noch das Ansehen der für die FSK 12 Freigabe noch einmal um acht Minuten geschnittenen Fassung – im Vergleich zu einer möglichen FSK 16 Freigabe – erträglich machen. Auf jeden Fall sollten die britischen Kaufcassetten – diese sind ungeschnitten – nicht voreilig aus dem Regal entfernt werden.
Die größte Schwäche des Films liegt allerdings auch in den Händen seines Regisseurs. Richard Attenboroughs Ziel war sicherlich die Schaffung eines kleinen, sehr subtilen Films. Da er allerdings von deutlich teueren und vor allem längeren Epen gekommen ist, gelingt es ihm insbesondere im ersten Akt nicht, Spannung zu erzeugen und die sich nach und nach entwickelnden Charaktere sind zu diesem Zeitpunkt noch zu schwach, das Handlungsgerüst zu tragen und das Interesse der Zuschauer zu wecken, geschweige denn zu halten. Erst mit dem zweiten Akt im Gleichschritt der ersten von zwei verzweifelten Liebesbeziehungen – einmal natürlich Corky/Fats und dann Corky mit der strahlenden Ann–Margret – beginnt der Film zu leben. Im Gegensatz zu der verstörenden Episode von „Dead of Night“ fast zu spät, um die Zuschauer aus ihrer Lethargie zu wecken.
Die Bildqualität der DVD ist in Ordnung, aber nicht unbedingt herausragend. In den vielen dunklen Szenen fehlt zum Teil die Tiefenschärfe, die DVD wirkt hier wie die in den neunziger Jahren neu aufgelegten Videokassetten und die Kontraste hätten etwas besser abgestimmt werden können und müssen. Dagegen ist insbesondere der Ton in dieser Film exzellent und ein weiteres Kaufargument. Als Extras findet sich nur ein von Uwe Huber geschriebenes, kleines Booklet, dessen Informationsgehalt nur an der Oberfläche dieser ansonsten sehr guten Produktion kratzt.
„Magic“ ist selbst in dieser im Grunde verstümmelten Fassung immer noch ein sehenswerter, schauspielerisch exzellenter klassischer Thriller. Insbesondere der zeitlich naturbedingte Verzicht auf jegliche Computertrickeffekte lenkt den Zuschauer nicht vom eigentlichen Geschehen auf der Leinwand ab und beginnt ihn relativ schnell Besitz von ihm zu ergreifen. Neben der zermürbenden Dialogszene zwischen Corky/Fats und seinem Agenten gehört die eine Sequenz, in der ein Kartentrick aus dem Ruder läuft und man das Geschehen fast ausschließlich auf Augenhöhe Corkys verfolgt. Diese eingeschränkte Perspektive gehört ebenfalls zu den besten Szenen des unheimlichen, klassischen Thrillers. Das hohe Niveau dieser Augenblicke kann vorher und nachher leider nicht mehr erreicht werden. Trotzdem ein zu Unrecht in Vergessenheit geratener Film, der mit dieser leider eingeschränkt zu empfehlenden DVD- Veröffentlichung zumindest eine neue Generation von Zuschauern zu erreichen sucht. Vielleicht veröffentlicht Koch in ferner Zukunft noch einmal die ungekürzte und mit vielen Extras versehene „Dark Sky“- Fassung.
DVD-Facts:
Bild: 1,33:1
Ton: deutsch Dolby Digital 2.0, englisch Dolby Digital 2.0
Extras:
Fehlanzeige