Philip Petit Mazan
Grimms Märchen
Aus dem Französischen von Klaus Jöken und Judith Holfelder
Titelgestaltung von Wolfgang Berger
Ehapa Comic Collection, 2006, HC, 128 Seiten, 18,00 EUR, ISBN 3-7704-2841-2 bzw. 978-3-7704-2841-0
Von Irene Salzmann
Wer kennt sie nicht – die gesammelten Märchen von den Brüdern Grimm. Ehapa präsentiert nun die Comic-Adaption von vier bekannten Märchen, an die sich bestimmt jeder noch gut erinnert.
„Hänsel und Gretel“ werden von ihren armen Eltern im Wald ausgesetzt. Einmal gelingt es Hänsel, durch die Steine, die er streute, den Rückweg zu finden. Beim zweiten Mal hat er jedoch nur Brotkrumen, die von den Vögeln aufgepickt werden. Die Kinder geraten immer tiefer in den Wald, bis sie das Knusperhäuschen entdecken. Während Gretel für die Hexe schwer arbeiten muss, wird Hänsel in einen Stall gesperrt und gemästet. Schließlich will die Hexe beide essen…
„Das tapfere Schneiderlein“ erledigte Sieben auf einen Streich. Natürlich weiß niemand, dass es sich dabei lediglich um Fliegen handelt. Der gewitzte Schneider kann sich Respekt verschaffen, wird aber auch beneidet und gefürchtet. Um ihn loszuwerden, befiehlt der König, dass der Schneider den wilden Eber, das Einhorn und die beiden Riesen unschädlich machen soll. Kann er die Aufgaben erfüllen, wird er mit der Prinzessin vermählt…
„Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“: Ein König hört die Weissagung, dass der Sohn einer armen Familie eines Tages seine Tochter heiraten wird. Er setzt das Kind aus, doch wird es von einem Müller gefunden, der es mit seiner Frau groß zieht. Jahre später erkennt der König den Jüngling wieder und schickt ihn mit der Nachricht zur Königin, dass der Bote augenblicklich zu töten sei. Zufälligerweise übernachtet der Junge in einer Räuberhütte, und die mitleidigen Räuber fälschen den Brief. Als der König sein Schloss erreicht, ist seine Tochter mit dem Müllerssohn bereits verheiratet. Um ihn dennoch zu verderben, schickt der König ihn aus, drei goldene Haare des Teufels zu holen…
„Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen“: Ein Vater hat zwei Söhne, von denen einer klug, der andere einfältig ist. Der Jüngere kennt keine Furcht und will sie zu gern erlernen. Nachdem er den Küster, der ihm Angst einjagen wollte, die Treppe hinab stößt, schickt ihn der Vater fort, damit er nicht noch mehr Unheil anrichtet. Auf seiner Reise gelangt der Jüngling an ein Spukschloss. Wenn es ihm gelingt, darin drei Nächte zu überleben, sollen die Prinzessin und das halbe Königreich ihm gehören. Der Junge trifft auf viele gruselige Gespenster, aber die Furcht lernt er nicht kennen…
„Hänsel und Gretel“ und „Das tapfere Schneiderlein“ fehlen in fast keiner Märchensammlung der Brüder Grimm, während die beiden anderen Geschichten nicht gar so bekannt sind. Allen gemein ist, dass sich die Motive hervorragend eignen, um in eine Fantasy-Erzählung umgesetzt zu werden oder – wie in diesem Fall - einem Comic als Vorlage zu dienen.
Drei französische Künstler haben sich der Märchen angenommen und in ihren jeweiligen Stilen spannend-humorige Funnies geschaffen, die sich weniger an Kinder wenden als an jung geblieben Erwachsene, die Fantasy und Comics mit einer dicken Portion Humor zu schätzen wissen.
Die Figuren werden mit kleinen Eigenarten ausgeschmückt, die sie lebendig erscheinen lassen und liebenswert machen. Die einzelnen Szenen sind mit viel Freude am Detail gestaltet und werden durch pfiffige Dialoge ergänzt. Vom altbackenen Märchen ist nicht mehr viel übrig, die Geschichten lesen sich wie witzige und abenteuerliche Fantasy. Von der Qualität her darf sich der Band durchaus mit Alben wie „Marlysa“, „Lanfeust von Troy“ oder die „Chroniken der Schwarzen Monde“ messen.
Das Experiment, Märchen im Comic-Gewand zu offerieren, darf man als durchaus gelungen betrachten. Vor allem die Sammler von Werken francobelgischer Künstler werden sicher auch diesen Band gern in ihr Regal stellen.
