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Eschbach, Andreas: Ausgebrannt (Buch)

Andreas Eschbach
Ausgebrannt
Lübbe, 2007, Hardcover, 750 Seiten, 19,95 EUR, ISBN ISBN 978-3785722749

Von Oliver Naujoks

Seit „Das Jesus-Video” und „Eine Billion Dollar” bin ich großer Fan von Andreas Eschbach. Beide Romane haben mich über alle Maßen gefesselt und fasziniert. In der Zwischenzeit und auch davor schrieb er viele hübsche Sachen wie, „Das Buch von der Zukunft“, „Der letzte seiner Art“ oder „Der Nobelpreis“, an die erst genannten Werke kam für mich aber bisher kein Buch wieder ran. Mit eher wenig Begeisterung ob des eher trocken klingenden Themas versiegenden Öls machte ich mich an seinen neuen, kürzlich erschienen Roman heran – und durfte begeistert und dankbar feststellen, dass es ihm diesmal wieder tatsächlich gelungen ist, einen richtig großen Wurf zu landen.
Ausführungen über das versiegende Öl können tatsächlich verdammt spannend sein...

Vorsicht: Kleine bis mittlere Spoiler voraus, Betreten auf eigene Gefahr, Eltern haften für ihre Kinder!

Inhalt: Markus Westermann möchte es unbedingt schaffen, den amerikanischen Traum verwirklichen und in den USA steinreich, erfolgreich und berühmt werden. Als er den alten Ingenieur Block aus Österreich kennen lernt, der angeblich eine neue Methode gefunden hat, wie man Öl findet, wo es sonst keiner findet, sieht er seine Chance gekommen. Das neue Unternehmen läuft toll an, Markus wird schnell reich. Als nach einer Explosion in Saudi-Arabien die weltweite Ölzufuhr zu erlahmen droht, gilt die Methode von Markus und Block als letzte Chance. Doch es soll alles anders kommen – und ein neues Zeitalter heran brechen.

Kritik: Ganz fest vorgenommen hatte ich es mir, schon bei der Lektüre. Wenn ich dazu komme, diesen Text zu schreiben, würde ich, so nahm ich mir vor, auf keinen Fall wieder die blöden und ausgelutschten Vergleiche anstellen, ob Andreas Eschbach der deutsche Michael Crichton sei. Das muss nun wirklich nicht in jeder Rezension stehen, auch wenn die Klärung dieser Frage, da diese Aussage genauso zutreffend wie falsch ist, durchaus reizvoll scheint. Aber dann kam es. In einem ironischen, ja köstlichen Seitenhieb in „Ausgebrannt“ bringt Herr Eschbach das Thema selbst zur Sprache. Denn in einen ersichtlich süffisant-überheblichen Tonfall lässt er seinen Helden an einer Stelle im Roman sagen, dass man sich nicht in einem Michael Crichton-Roman befände, in welchem man irgendwann eine Formel findet und mit der dann die Welt rettet. Man grinst als Leser, blättert weiter und ist gespannt, wie die Helden aus dem Schlamassel ohne Erzähl-Tricks à la Crichton heraus kommen – und staunt nicht schlecht, dass sie sehr wohl so was wie eine Formel finden, mit der man die Welt...aber irgendwie kommt es dann doch anders – wenn auch nicht sehr viel anders. Großartig, wie der Autor hier diese Aussage und sich selbst auf die Schippe nimmt. Auch an anderen Stellen scheint diesmal durchaus deutlich eine angenehm entspannte, subtile Ironie dem Leser gegenüber durch – dazu gleich mehr.

Bringen wir das Lob schnell hinter uns, dies wird eine Besprechung, die mit einer Höchstwertung endet, und das liegt daran, dass Andreas Eschbach eigentlich fast alles richtig macht. Der Reihe nach: Schon nach wenigen Seiten stellt sich ein suchartiger Lesegenuss ein, man möchte am liebsten gar nicht aufhören zu lesen, und meisterhaft versteht es der Autor, die von ihm recherchierten Fakten über die Lage des weltweiten Ölmarktes und unsere Abhängigkeit davon ansprechend und interessant vor dem Leser auszubreiten und in eine außerordentlich spannende und temporeiche Geschichte zu packen. Man kann und vor allem will nicht immer nachprüfen, was da alles an Fakten und teilweise erschreckenden Tatsachen präsentiert wird, eines ist aber sicher, und auch das gehört zu einem meisterlichen Roman: Es bestürzt und berührt einen und regt erheblich zum Nachdenken an. Erheblich. Selten hat der Verfasser dieser Zeilen in den letzten Jahren in Gedanken so sehr einem Buch während der Lektürephase nachgehangen, wenn er im Alltag das Buch gerade nicht vor der Nase hatte. Ferner sind die beiden Helden hochinteressante Charaktere, die zum einen keineswegs nur positiv gezeichnet werden, aber bei allen nicht so sympathischen Eigenschaften immer doch so viel Projektionsfläche für den Leser bieten, dass der Identifikationsgrad sehr hoch ist, was das Suchtartige der Lektüre noch steigert.

Das alles bisher reicht für einen sehr guten Roman, nicht aber unbedingt gleich für die Höchstwertung. Die erreicht der Autor durch seine Fähigkeit, sich in eine gewisse Szene so einfühlen und diese dann so schildern zu können, dass man als Leser ein selten intensives Gefühl zu spüren glaubt, mit dabei zu sein. Und das ist für dieses Buch extrem wichtig, das sehr viel springt und bei dem man in der Rückschau kaum fassen kann, wie viel Überstunden und harte Arbeit die mentalen Kulissenschieber in diesem recht langen Roman leisten müssen. Man möge sich darauf einstellen, dem Helden von Gipfel des Berges des Erfolgs bis in die tiefsten Täler zu folgen, von Verkaufsverhandlungen, Überstunden im Büro, bis in eine menschenleere Welt, eine religiös-fanatische Dorfgemeinschaft, die High-Society von New York und und und. Gerade wegen seiner Fähigkeit, jede dieser Szenen so lebendig und anschaulich schildern zu können, folgt man dem Autor interessiert und gespannt von einer zur anderen.

Hinzu kommt, dass er dem Helden-Paar ein paar wichtige Nebenfiguren mit an die Seite gibt, die die weltweite Situation, die er beschreibt und die hier aus Spoiler-Gründen nicht vertieft werden soll, für den Leser hautnah spürbar macht. Unheimlich, wie ‚echt’ sich der Verlust, aber auch der Neuaufbau im Großen wie im Kleinen teilweise anfühlt.

Letztlich den Ausschlag für die Höchstwertung gab, wie souverän, gelassen, unaufgeregt und unpolemisch Eschbach dies alles schildert und trotzdem höchst bedrängend und aufrüttelnd bleiben kann, ohne auf dumme polemische Volten zurück greifen zu müssen, und wie genau er diesen Mittelweg trifft. „Ausgebrannt“ ist ein Angst machender, düsterer Roman in negativen Farben, der trotzdem auf jeder Seite hoffnungsvolle, positive Signale ausstrahlt und auf den Menschen setzt, ohne in allzu plume „Wir schaffen das schon“-Trostbotschaften zu verfallen. Hier den genauen Tonfall zu treffen ist sehr schwierig, Eschbach aber trifft ihn. Keine einfachen Schuldzuweisungen wie häufig in solchen Büchern, keine allzu dümmlichen antiamerikanischen Klischees wie u.a. in Schätzings „Der Schwarm“, keine simplen Gut-Böse Zeichnungen, das ist alles sehr wohltuend.

Wenn man da noch kritisieren will, muss man schon nach dem Haar in der Suppe suchen. Dies findet man auch, das ändert aber an der Höchstwertung nichts mehr. Der Roman ist raffiniert konstruiert, aber etwas zu kompliziert strukturiert, gerade in der Rückschau erscheint einiges unnötig umständlich gebaut (musste wirklich die Rückblendenstruktur in der ersten Hälfte so sein?!), so dass der angestrebte Eindruck eines elegant komponierten Romans sich nicht völlig einstellen will.
Ferner ist Andreas Eschbach zwar ein exzellenter Erzähler, aber nach wie vor kein Sprachkünstler. Kunstvoll gebaute Sätze und schöne Sprache sind nicht seine Stärke; in manchen Szenen erreicht er eine hohe erzählerische Effektivität, in anderen windet man sich als Leser aber in Qualen und fragt sich, ob es nun DAFÜR nicht auch noch eine schönere Formulierung gegeben hätte. Das gilt auch und gerade für das sprachlich immer delikate Thema Erotik. Hier sind die Resultate in „Ausgebrannt“ sehr gemischt. So ist eine zweideutige Dialogszene um Öl-Bohrungen höchst knisternd und sehr gelungen, dafür aber eine Sex-Szene über den Wolken in einem Flugzeug wegen quälender Metaphern eine Bruchlandung. Obwohl. Wer weiß, andere Leser oder Leserinnen empfinden das vielleicht genau anders herum...

Eine eigentlich große Schwäche des Buches darf man ihm nicht negativ auslegen: Der Roman ist etwas überkonstruiert und verlässt sich arg auf Zufälle. Falls Andreas Eschbach dies hier mal liest, möge er doch bitte in seinem nächsten Roman mit Ereignissen und Personen doch wieder etwas „verschwenderischer“ sein. Nicht alles muss eine Pointe haben, nicht jedes Ereignis nachher Sinn ergeben, nicht jede Person noch eine wichtige Verknüpfung zum Helden haben – man merkt es als Leser sehr schnell, wenn das Methode hat und achtet darauf. Dadurch wirkt die Welt weniger lebendig und nur als Kulisse. Also bitte, dieses Beispiel ist jetzt bewusst nicht aus dem Roman, nicht jedes Streichholz, dass der Held irgendwann gereicht bekommt, muss später noch für eine Befreiung dienen!
Ferner setzt einen der Autor gerade auf den letzten 200 Seiten einer großen Reihe eigentlich unfassbarer Zufälle aus, die arg auf die Glaubwürdigkeit gehen. So ist, Vorsicht, jetzt folgen dickere Spoiler, die Suche des Helden nach dem Vermächtnis seines Vaters arg forciert und die „zufällige“ Wiederbegegnung zwischen Held und Heldin sagenhaft unglaubwürdig – so klein ist die Welt dann doch nicht! Warum aber darf man das nicht negativ auslegen? Weil einen der Autor so charmant um Verzeihung bittet und das zufällige Element in einigen Szenen so liebevoll-köstlich überstrapaziert, dass man diese Handreichung einfach nicht ausschlagen kann. Wenn deshalb ein werdendes Kind durch eine Blitz-Heirat „ehelich gemacht“ werden soll und dann die Fruchtblase eine Sekunde nach dem letzten Wort des Standesbeamten platzt – das ist genauso unglaubwürdig wie köstlich, eine liebenswerte Szene, die man so schnell nicht vergisst. Hier spielt der Autor ganz offensichtlich mit dem Leser, und man kann es ihm einfach nicht übel nehmen.

Kommen wir zum Ende und fassen wir zusammen: Ein politisch brisanter, sehr zum Nachdenken anregender, hervorragend erzählter, lebendiger, mörderisch spannender Page-Turner, was will man von einem Roman eigentlich noch mehr? „Ausgebrannt“ ist der erhoffte dritte große Wurf nach dem „Jesus Video“ und „Eine Billion Dollar“ geworden.

Vergleiche zwischen Andreas Eschbach und Michael Crichton braucht man, egal, für wen man sich auch entscheidet, nicht mehr anstellen. Die hat Andreas Eschbach nicht mehr nötig.

hinzugefügt: April 20th 2007
Tester: Oliver Naujoks
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