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Morgan, Richard: Gefallene Engel (Buch)

Richard Morgan
Gefallene Engel
(Broken Angels)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Bernhard Kempen
Titelillustration Chris Moore
Heyne, Taschenbuch, 592 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 3-453-852051-3

Von Carsten Kuhr

Richard Morgan erhielt für seinen Erstlingsroman "Das Unsterblichkeitsprogramm" den Philip K. Dick Award. In dem Roman erzählte der Engländer eine sehr spannungsgeladene Kriminalgeschichte von einer Welt, in der das Bewusstsein der Menschen digital in einem kortikalen Stack gespeichert wird, und dieser bei Notwendigkeit einem Klon oder einem Menschen übergestülpt wird. Unsterblichkeit ist also technisch machbar, sofern der Stack nicht zerstört wird und kein Back-Up, irgendwo sicher verwahrt exisitiert.

Takeshi, der Protagonist des preisgekrönten Romans steht auch diesmal wieder im Zentrum unserer Aufmerksamkeit.
Nun ist es eine Tatsache, dass Autoren, junge noch dazu, gerne ein einmal erfolgreich ausgestaltetes Grundthemata in der Folgezeit gering variiert neu auflegen. Unzählige Fortsetzungen, die im Grunde genommen dieselbe Geschichte erneut, nur meist weit weniger faszinierend, erzählen, legen beredt Zeugnis ab.
Mit entsprechend gemischten Gefühlen ging ich an die Lektüre des fast 600 Seiten starken Wälzers - und wurde positiv überrascht.
Morgan vermeidet es geschickt sich selbst zu plagiieren, offeriert uns eine ganz andere Handlung, als im ersten Band der Takeshi Abenteuer.

Takeshi, wir erinnern uns, war Mitglied der gefürchtetsten Kampftruppe der von Menschen besiedelten Welten. Einige Jahre nach den im ersten Band erzählten Geschehnissen kämpft er auf einer der Kolonialwelten der menschlichen Hegemonie als Söldner gegen Rebellen. Alle bislang von den Cryo-Schiffen der Menschen besiedelten Welten verdanken ihre Entdeckung dem Auffinden Jahrtausende alter Raumkarten der untergegangenen Marsianer. Auf jeder der erdähnlichen Welten suchen die Archäologen daher nach weiteren technischen Relikten der Hochkultur der von Raubvögeln abstammenden Marisaner. Doch werden außer verfallenen Ruinen wenige funktionierende Überbleibsel entdeckt. Als eines Tages ein Rebellenpilot Takeshi von einem Raumtor erzählt, hinter dem ein intaktes Raumschiff der Marsianer auf die Entdeckung wartet, ist unser Held zuerst kritisch. Doch die Indizien, dass etwas dran ist an dem Gerücht mehren sich. Takeshi setzt sich unerlaubt von der kämpfenden Truppe ab und sucht die Unterstützung eines der mächtigen Kartelle für die Schatzsuche. Schnell ist eine Truppe qualifizierter Kämpfer und Wissenschaftler zusammengestellt, doch wie kann man die konkurrierenden Kartelle an der Verfolgung hindern und ablenken? Eine Stadt in der Nähe der Fundstelle des Tores wird von den Rebellen geschickterweise mittels einer Atombombe dem Erdboden gleichgemacht, die Fundstelle verstrahlt. Man verspricht der Expedition nach dem Abschluss der Suche neue Körper sowie eine adäqute Entlohnung - und das Abenteuer beginnt. Verräter lauern ebenso wie Verfolger, das Betreten des marsianischen Schiffes führt zu weiteren Konflikten und Kämpfen.

Bot "Das Unsterblichkeitsprogramm" eine dunkle Zukunftsvision, so steigert der Autor seine zynische, manchmal erschreckende Vision diesmal noch.
Stand im ersten Band die Auflösung des Rätsels um den vermeintlichen Selbstmord eines Methusalems im Mittelpunkt der Handlung, so berichtet uns Morgan diesmal von einer Welt, in der die mächtigen Kartelle einen unnötigen, aber profitablen Krieg führen. Mit Menschenleben wird gespielt, kann man die Gefallenen doch, sofern der Stack nicht vernichtet wurde, gleich in den nächsten Körper laden und wieder ins Gefecht schicken. Eine in ihrer Deutlichkeit erschreckende Schlüsselszene ist hier die Beschreibung eines Bazars, in der menschliche Stacks nach Gewicht unsortiert gehandelt werden. Sie brauchen Kämpfer - ein Pfund oder doch lieber ein Kilo natürlich ohne Gewähr, ob das Bewusstsein des Kämpfern nicht gelitten hat, und er / sie sich in der ewigen Hölle des eigenen Wahnsinns befindet. Der Tod ist schon lange nicht mehr das Schlimmste, das man einem Menschen antun kann. Scheinbar ewig währende grausame Folter in einer virtuell geschaffenen Hölle, das ist die wirklich ultimative Strafe für jedwedes Vergehen.
Dass so nebenbei eine ganze Großtadt mittel nuklearer Bombe vernichtet wird, die Stacks der Frauen und Kinder verdampfen im atomaren Glühen, das muss man dem Profit zuliebe schon akzeptieren.

Ein düsteres, ein böses, ein grausam realistisch anmutendes Bild, das der Autor hier zeichnet. Dabei kommt es innerhalb der Truppe die unser Antiheld um sich schart zu interessanten Wechselbeziehungen, gruppendynamischen Prozessen und einer Rudelloyalität die überzeugend dargestellt werden. Im Mittelpunkt des Geschehens aber stehen die Schilderungen der Kämpfe - und davon gibt es diesmal deutlich mehr, als im ersten Teil. Takeshi ist in erster Linie ein überragender Kämpfer, und diesmal nutzt er all seine Kräfte, um sich und seine Begleiter möglichst heil durchzubringen. Dass er dabei seine Feinde gnadenlos dem » dem realen Tod durch Vernichtung des Stacks aussetzt, dass er gegen intelligente Nanobots ebenso antritt wie gegen befreundete Ex-Kameraden und angesichts der Verstrahlung mit dem immer näher rückenden Tod seines unzulänglichen Körpers hadert ist nur ein Fragment der Handlung.
Morgan zeichnet das Bild einer Gesellschaft, die menschenverachtend agiert - und dies auf jeder Ebene. Grausamer Egoismus als alleinig selig machende Weisheit.
In einer Welt in der zwar jeder auf Kosten der anderen Überleben will, in der man aber ohne den Rückhalt eine Gruppe - sei es eines Kartells oder einer militanten Truppe nicht überleben kann, schlägt Takeshi sich als Einzelgänger durch. Dazu gehört ein gehöriges Maß an Mut, an Unabhängigkeit und vielleicht auch ein wenig Schizophrenie.
Takeshi ist kein strahlender Held in einer sterilen Zukunft, sondern ein zwiespältiger, manchmal brutaler und gnadenloser Kämpfer in einer Zukunft wie wir sie in der Realität hoffentlich nie erleben werden. Dennoch, oder vielleicht auch gerade deshalb, fesselte mich dieser Roman auf eine ganz andere Art wie der erste Band mit Takeshi in der Hauptrolle.

> Wie könnte man zusammenfassen: Richard Morgan führt Dicks "Balde Runner" zu neuen Ufern - dem ist nichts hinzuzufügen.

hinzugefügt: June 27th 2005
Tester: Carsten Kuhr
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