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Shearer, Alex: Das Mädchen in der Glaskugel (Buch)

Alex Shearer
Das Mädchen in der Glaskugel
The Speed of the Dark (2003)
Aus dem Englischen von Barbara Küper
Arena Verlag, 2006. 324 Seiten, 13,90 EUR, ISBN 10: 3-401-05689-1, ISBN 13: 978-401-05689-0

Von Gunther Barnewald

Um es vorweg zu nehmen: „Das Mädchen in der Glaskugel“ ist ein wunderbarer Roman, jedoch definitiv, weder in Ausführung noch in Inhalt, ein Jugendbuch, sondern ganz klar eine tieftraurige und anrührende Geschichte für Erwachsene, für Leser von Ray Bradbury oder noch mehr von Tom Reamy (wenn sich noch jemand an diesen früh verstorbenen Dichter melancholischer Meisterstücke erinnert). An dessen hervorragende Erzählung „Blind Voices“ (dt. als „Blinde Stimmen“, Heyne SF-Taschenbuch 3900) erinnert das vorliegende Werk auch etwas.
Schon allein die Wortwahl des Autors („ökonomischer Imperativ”, Obolus, egalitäre Gesellschaften etc.) zeigt aber auch, an wen sich „The Speed of the Dark“ eigentlich richtet, nämlich an Erwachsene.

Die Geschichte spielt im Milieu der Künstler und Schausteller. Da ist zunächst einmal der verwachsene Gnom Ernst Eckmann, ein begnadeter Schnitzer winzigster Miniaturen.
In einer eigenen Galerie stellt er diese aus und ist gleichzeitig der einzige Protagonist, der nicht unter klammen Finanzen leidet. Sein großer Traum ist es, seine Miniaturen lebendig zu gestalten. Für seine Kunst und diesen Traum lebt der einsame und von vielen verachtete Mann, ein völlig verkanntes, tragische Genie.
Dann ist da die Tänzerin Poppea, die den ganzen Arbeitstag verkleidet als mechanische Ballerina auf einem Podest auf dem Marktplatz der Altstadt steht und zu tanzen beginnt, wenn ein Tourist eine Münze in die Mechanik des Musikspielwerks in ihrem Podest wirft.
Poppea wiederum liebt den Straßenmaler Robert, einen ebenso begnadeten wie eigenwilligen Künstler, der seinen kleinen Sohn Christopher alleine groß zieht, überwacht von den Argusaugen des Jugendamts, welches immer wieder überprüfen lässt, ob der Mann seinen Erziehungsaufgaben gewachsen ist.
Christopher wiederum, ein intelligenter und zurückhaltender Junge, liebt seinen Vater über alles und hat Angst, dass dieser eines Tages genauso verschwindet wie die Mutter.
Zwischen diesen vier Personen entspinnt sich eine Geschichte von Lüge, Intrige, Schuld und Sühne, ein verhängnisvoller Reigen, der Christophers größten Alptraum wahr werden lässt. Und so beginnt der Roman auch in einem Prolog, welcher den erwachsenen Christopher zeigt, der verzweifelt auf der Suche nach einer Lösung ist, welche seinen Vater wieder zu ihm zurückbringt.
Als er jedoch scheitert, hinterlässt er einem Kollegen ein Manuskript, geschrieben in der dritten Person, denn der junge Mann hatte es nicht über sich gebracht, seine Erlebnisse in Ichform aufzuzeichnen.
So erfährt der Leser, was sich wirklich ereignete in Christophers verhängnisvoller Vergangenheit.

Eine anrührende Geschichte voller Melancholie und verletzter Gefühle, viel zu schwer erträglich und zu erschreckend für die meisten Jugendliche nach Einschätzung des Rezensenten. Selbst viele Erwachsene werden sich mit Grausen abwenden und zu fröhlicherem Lesestoff greifen, erschreckt von der depressiven Grundstimmung des Erzählten.
Schade dass der Autor nicht über die stilistischen Fertigkeiten eines Ray Bradbury oder Tom Reamy verfügt. Dies wäre das berühmte Tüpfelchen auf dem I, welches „The Speed of the Dark“ leider fehlt, um ein absolutes Meisterwerk darzustellen.
Trotzdem ist die vorliegende Erzählung eine herrlich traurige Wundertüte, tiefgründig, fesselnd und auf bittersüße Weise schön. Wer auch gerne mal eine zarttraurige Geschichte ließt, wenn diese ergreifend erzählt ist, der sollte sich diesen Roman nicht entgehen lassen. Bücher von dieser Qualität erscheinen wahrlich viel zu selten auf dem deutschen Buchmarkt.

hinzugefügt: March 30th 2006
Tester: Gunther Barnewald
Punkte:
zugehöriger Link: Arena Verlag
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